John Molyneux

 

Die Kontroverse
über
„politische Korrektheit“

(Teil 2)

 

Sprachreform

Gerade durch ihre Versuche, die Sprachreform zu fördern, hat die PK, besonders in Großbritannien, ihre größte traurige Berühmtheit gewonnen und hat den größten Hohn bekommen (obwohl, wie früher bemerkt, dieser Aspekt nicht ihre kontroverseste Seite in Amerika ist). Die Sprachreform bezieht sich auf den Versuch, Haßsprache zu verbieten, unterscheidet sich aber davon. Alle wichtigsten Begriffe der rassistischen, sexistischen und schwulenfeindlichen Beleidigung sind wohlbekannte Teile der Alltagssprache und ihre beleidigende Natur ist allgemein anerkannt. Sie haben alle auch ganz einfache nicht offensive Alternativen die schon häufig verwendet werden. Die Beseitigung der Haßsprache bedeutet deshalb nicht viel mehr als die Auslassung von bestimmten absichtlich abschätzigen und offensiven Ausdrücken.

Im Gegensatz dazu beschäftigt sich die Sprachreform damit, abwertende oder unterdrückerische Bedeutungen [Sinne] bei Wörtern oder Ausdrücken zu entdecken, wo früher keine anerkannt wurden, und den Versuch zu unternehmen, sie durch neue oft künstlich geschaffene Wörter und Ausdrücke zu ersetzen. Gleichzeitig haben sogar die strengsten Anhänger der PK nicht allgemein versucht, aus der Verwendung dieser Neuschöpfungen ein Disziplinarverfahren zu machen (obwohl es zweifelsohne irgendwo eine Ausnahme gibt). Vielmehr besteht der Versuch darin, die Sprache durch das Beispiel, durch den moralischen Druck und manchmal durch administrative Maßnahmen zu reformieren.

Die Sprache ist selbstverständlich immer eine politische Frage und politische Kämpfe haben immer Kämpfe über Sprache mit sich gebracht [bedeutet]. Während der Reformation war die Übersetzung der Bibel in die gemeine Sprache eine politische Frage. Die Unterdrückung der einheimischen Sprachen durch Eroberer – ein häufiges Verfahren vom Verbot der gälischen Sprache in den schottischen Highlands bis zum Verbot der kurdischen Sprache in der Türkei – ist immer eine politische Frage gewesen. Formen der Anrede, sensible Zeichen des gesellschaftlichen [sozialen] Rangs, sind immer politische Fragen gewesen. In der Verratenen Revolution beschuldigte Trotzki der stalinistischen Bürokraten wegen ihrer gewohnheitsmäßigen Anwendung der zweiten Person Einzahl gegenüber Untergeordneten und Arbeitern. „muß man da nicht daran erinnern“, fragte er, „daß eine der populärsten Parolen im zaristischen Rußland lautete: Abschaffung des Duzens der Untergenbenen durch die Vorgesetzten.“ [36] Revolutionen im Denken haben neue Begriffe und Vorstellungen eingeführt, die wichtig sind für die neue Weise, die Welt zu verstehen, die aber vielleicht am Anfang seltsam oder unklar scheinen. Es macht einen Unterschied, ob wir über die „Schöpfung“ oder über die „Evolution“ der Spezies sprechen, ob wir die moderne Gesellschaft eine „industrielle“ oder ein „kapitalistische“ Gesellschaft nennen, ob wir einen „Volksstaat“ oder einen „Arbeiterstaat“ fordern. Revolutionen in der Praxis haben immer zu der Umbenennung von Städten und Straßen geführt, zur Entscheidung, ob wir die Menschen „Bürger“ bzw. „Genosse“ anstatt „Sir“ oder „Meister“ nennen, und zur Popularisierung neuer Wörter. Hier ist wieder Trotzki:

Beachten Sie, mit welcher Feinfühligkeit die Sprachen der zivilisierten Nationen zwei Epochen in der Entwicklung Rußlands unterschieden haben. Die adelige Kultur brachte in den Weltumgang solche Barbarismen wie Zar, Kosak, Pogrom, Nagaika. Sie kennen diese Wörter und wissen, was sie bedeuten. Der Oktober führte in die Sprache der Welt solche Wörter wie Bolschewik, Sowjet, Kolchos, Gosplan, Pjatilekat ein. Hier hält die praktische Linguistik ihr oberstes historisches Gericht. [37]

Trotzdem spürt man einen offensichtlichen Unterschied zwischen all diesen Beispielen und vielen der Anstrengungen der PK bei der Sprachreform. Ein bißchen Vorsicht ist hier notwendig, denn es deutlich ist, daß die absurdesten Beispiele zweifelhaft sind. Hat jemand je eine Person wirklich gehört, der „senkrecht herausgefordert“ oder „follikelmäßig beeinträchtigt“ [5*] verwendet außer in einer ironischen Weise? Nichtsdestotrotz gibt es ein Element der pompösen Künstlichkeit, die in der PK-Sprache anwesend ist und die einen wirklich zur Parodie einlädt. Woher das entsteht, ist nicht von einem Versuch zu versichern, daß die Sprache wirkliche gesellschaftliche Änderung widerspiegelt, sondern von einer riesigen Überschätzung der Rolle der Sprache bei der Verursachung der gesellschaftlichen Änderung und vom Versuch, die wirkliche Reform durch die Sprachreform zu ersetzen. Ich stelle die Sache ganz scharf dar: Die Strategie der Bolschewiki bestand darin, die Masse der Arbeiter, Soldaten und Matrosen zu überzeugen, das Winterpalast zu stürmen, und die Macht den Sowjets zu übertragen, und erst dann die Straßen umzubenennen. Sie bestand nicht in der Vorstellung, daß die Umbenennung der Straßen die Revolution entfachen würde. [38] Allzu häufig scheint die PK diese Reihenfolge verkehrt herum zu begreifen.

Die fruchtbarsten Quellen der positiven linguistischen Änderung in der neueren Zeit sind zweifellos die Schwarzenbewegung, die Frauenbewegung und die Schwulenbewegung gewesen. Die Verschiebung von „coloured“ oder „Negro“ zu „black“, die während der 1960er Jahre stattfand, widerspiegelte sowie bezeichnete einen Riesenschritt nach vorne im Stolz und in der Selbstbehauptung. Die Aneignung des Worts „gay“ war auch offensichtlich einen progressiven Schritt, da die einzigen Wörter, die vorher existierten, das klinische (und oft abwertende) Wort „homosexual“ oder Haßsprache waren, und „gay“ [6*] hat eine sehr breite Akzeptanz gewonnen. „Homophobie“ war auch nützlich als der passende Name einer spezifischen Art Bigotterie. Das Wort „Sexismus“, das von der Frauenbewegung beigetragen wurde und die allgemein den unbeholfenen Begriff „männlicher Chauvinismus“ ersetzt hat (der auch von der Frauenbewegung beigetragen wurde), hat den gleichen Zweck gedient als „Homophobie“ und hat auch weit verbreitete Verwendung erreicht.

Aber wahrscheinlich die radikalste erfolgreiche Herausforderung der bestehenden linguistischen Praxis ist die Herausforderung der generischen Anwendung der Wörter „man“, „mankind“ und „he“. Es ist eine treffende Tatsache, daß vor den 1970er Jahren alles, was von Leuten aller politischen Meinungen (einschließlich Marxisten und Marxistinnen) geschrieben wurde, diese Form verwendeten, aber irgendwann Mitte bis Ende der 1970er Jahre änderte diese Gewohnheit rasch und alle, die das Ziel der weiblichen Gleichheit unterstützten (was Faß die ganze Linke einschloß), fingen damit an „people“ statt „men“ und „humanity“ statt „mankind“ zu schreiben. Selbstverständlich war die Änderung nicht universell, aber in mehr oder weniger fortschrittlichen Kreisen war sie ganz gründlich. Zu jenem historischen Zeitpunkt schien es nur notwendig, daß man die Frage erhob, so daß eine beträchtlich Anzahl von Menschen ihre Praxis änderten. Das war deswegen möglich, weil diese bestimmte linguistische Reform das Produkt einer wirklichen Bewegung und einer wirklichen Änderung im Bewußtsein von Millionen Frauen und Männern war, die der Reihe nach aus wirklichen Änderungen der materiellen Umstände und der gesellschaftlichen Verhältnisse entstand (aus dem Zufluß Frauen in die bezahlte Beschäftigung, in die Hochschulen und in die Berufe sowie aus der Einführung der Pille und Abtreibungsrechte). Die durch die Schwarzen- und die Schwulenbewegung eingeführten Innovationen waren aus den gleichen Gründen wirksam. Zusätzlich ließen sich solche Änderungen machen, ohne die Sprache pedantisch und komplex zu machen – PK erreicht oft das Gegenteil (indem sie z.B. symbolisch darauf besteht „he/she“ zu schreiben, wo „they“ leichter zu lesen ist [7*]).

Das Problem, das vielen der neueren Anstrengungen der PK zugrunde liegen, besteht darin, daß diese wirklichen Massenbewegungen zurückgegangen sind, was eine Schicht von Intellektuellen hinterlassen hat, die in akademischen oder kulturellen Gettos gestrandet sind, die versuchen, den Kampf durch rein wörtliche Mitteln fortzusetzen, und die sich drängeln auf der Suche nach linguistischen Unrechten, die sie beseitigen können.

Der gesellschaftliche Zustand ist von zwei weiteren Einflüssen verstärkt, die im Grunde genommen Ausdrücke der gleichen Lage sind. Der erste ist die französische Philosophie und Gesellschaftstheorie, die aus der Arbeit von Saussure entstehen, nämlich der Strukturalismus, der Poststrukturalismus, der Dekonstruktionismus, der Postmodernismus usw. [39] Diese haben zu einem um sich greifenden und tiefsitzenden philosophischen Idealismus geführt, wonach (in einer Umkehrung von Marx) das gesellschaftliche Bewußtsein das gesellschaftliche Sein bestimmt und die Sprache das gesellschaftliche Bewußtsein bestimmt. Ein gutes Beispiel der Art Denken, die dieser verursacht hat, liefert Dale Spender, deren Buch Man Made Language im Projekt Sprachreform einflußreich gewesen ist: „Eine patriarchalische Gesellschaft stützt sich auf dem Glauben, daß das Männliche das übergeordnete Geschlecht ist, und viele der gesellschaftlichen Einrichtungen und ein großer Teil der gesellschaftlichen Praxis werden so organisiert, um das zu widerspiegeln.“ [40] Man soll merken, daß hier die Gesellschaft, Einrichtungen und die gesellschaftliche Praxis sich auf „Glauben“ stützen. Woher dieser Glaube kommt, wird nicht erklärt. Das hat zu Behauptungen geführt, daß die Sprache als Ganze von Männern geschaffen und von Männern gesteuert wird.

Diese Behauptungen sind ebenso schlicht und einfach falsch wie die Vorstellung, daß der menschliche Geist die physische Welt geschaffen hat oder daß die Menschheit erbärmlich unter der Vorstellung der Schwerkraft gelitten hat. [41] Während einige Männer (im wesentlichen Männer aus der herrschenden Klasse) einen unverhältnismäßigen Einfluß auf Teile der Sprache und auf einige ihrer Bedeutungen ausüben können, ist die Sprache als Ganze ebensowenig unter der Kontrolle von Männern als Gruppe wie die Weltwirtschaft oder die Weltkultur. Es steht in der Natur der Sprache, daß sie historisch durch die menschliche Praxis entwickelt – die auch, obwohl in untergeordneten rollen, die Praxis der Frauen, der Kinder, der Schwarzen, der Juden und aller anderen in der Gesellschaft einschließt. [42]

Während es stimmt, daß die Entwicklung der Sprache einen riesigen Schub zur Entwicklung des Bewußtseins und des Denkens gab, und daß die Natur [das Wesen] des Sprache einen wichtigen Einfluß darauf ausübt, was gedacht wird und was „denkbar“ ist, kann es nicht stimmen, daß es kein Bewußtsein bzw. kein Denken vor der Sprache gibt; sonst könnten Tiere nicht jagen, Katzen würde ihren Heimweg nicht finden, Schimpansen könnten sich nicht an der elementaren Anwendung von Werkzeugen beteiligen und Babys könnten nicht eine Sprache lernen. Noch stimmt es, daß die Sprache das Bewußtsein aus dem Nichts aufbaut bzw. bestimmt. Wenn das der Fall wäre, würde das Projekt der Sprachreform selbst undenkbar. Es gibt eine andauernde komplexe Wechselwirkung zwischen den externen [äußeren] materiellen Umständen, den physischen und psychischen menschlichen Bedürfnissen, den gesellschaftlichen Verhältnissen der Menschen und dem menschlichen Denken und Sprache. Innerhalb dieser Wechselwirkung bleibt das gesellschaftliche Sein – die Kombination aus Umständen, Bedürfnissen und gesellschaftlichen Verhältnissen – vorrangig.

Die Entwicklung der Sprache ist mit der Entwicklung der Gesellschaft verbunden, sie widerspiegelt den Widerspruch und den Konflikt an der Wurzel der Gesellschaft, nicht bloß die Ansichten der herrschenden Klasse und ihrer akademischen Anhänger.

Nichtsdestoweniger sind Intellektuelle immer an Theorien angezogen worden, die ihre rolle schmeicheln und sie ins Zentrum der historischen Änderung stellen. Das führt in der Praxis zu solchen Sachen wie dem vergeblichen Versuch, die englische Sprache von allen negativen Verwendungen des Worts „black“ wie etwa in den Phrasen „black day“, „blackspot“, „blackmail“ und „blacking“ (oder auch von solchen nichtabwertenden Anwendungen wie „black coffee“) bzw. alle Wörter mit männlichen Assoziationen wie „seminal“ oder „seminar“ zu säubern, bzw. „history“ durch „herstory“ oder „women“ durch „wimmin“ [8*] zu ersetzen. Die Endwirkung dieses Fetischismus ist einfach, daß er Unterhaltung (auf Kosten der Linken) für die Presse und eine Zufluchtsort für Schurken liefert, wie zum Zeitpunkt, wo bestimmte Gewerkschaftsfunktionäre, die sich der Bestreikung von Timex-Produkte entgegenstellten, weil sie gegen die Antigewerkschaftsgesetze verstieß, behaupteten, sie hätten Einwände gegen „blacking“, weil sie rassistisch sei.

Was er auch überhaupt nicht versteht ist, daß, wenn man Menschen oder Umstände umbenennt oder neu beschreibt aber die Realität [Wirklichkeit] sich nicht ändert, der neue Name bzw. die neue Beschreibung bald die alte Bedeutung und die alten Assoziationen annimmt. So könnte vielleicht eine Schule, die die Kinder in leistungshomogene Gruppen aufteilt, entscheiden, die Gruppen A, B und C in Gruppen L, M und N umzubenennen, aber die Kinder in der Schule werden einem erzählen, die Klasse N ist die Klasse der „Doofen“. In ähnlicher Weise ist der Versuch, neue Bezeichnungen für rückständige Kinder als „special needs“ oder „children with learning difficulties“ oder für behinderte Kinder als „differently abled“ [9*] zu benutzen, führt bloß dazu, daß Menschen „special needs“ bzw. „differently abled“ sagen, während sie „rückständig“ bzw. „behindert“ denken. Am schlimmsten dient die Besessenheit mit Sprache dazu, den Antirassismus und den Antisexismus in den Augen vieler Menschen in der Arbeiterklasse, deren Ausbeutung und harte Lebensbedingungen versichern, daß sie weit ernsthaftere und drückendere Sorgen als pedantische linguistische Genauigkeiten haben, zu trivialisieren und in Mißkredit zu bringen. In dieser Hinsicht kann PK direkt das Gegenteil bewirken, indem sie objektiv die reaktionären Vorstellungen verstärkt, die sie zu bekämpfen versucht.

Der zweite banalere und materiellere Einfluß auf die PK-Sprachreform ist das berufliche Bedürfnis nach einem Jargon gewesen. Unter dem Kapitalismus neigen alle elitären Berufe – Ärzte, Rechtsanwälte usw. – dazu, den eigenen Jargon zu entwickeln, der den Laien unverständlich ist. Ein Teil davon wird durch Annehmlichkeit und/oder das Bedürfnis nach spezifischer wissenschaftlicher Strenge gerechtfertigt, aber ein großer Teil davon ist elitäres Denken pur. Er schließt die Mehrheit aus den Überlegungen des Berufs aus, während die Beherrschung des Jargons dient als Zeichen der Mitgliedschaft des Klubs. Die akademische Welt ist voll damit und marxistische Akademiker sind keineswegs davor immun. er spielt eine beträchtliche Rolle in der PK-Sprache. Wie Barbara Ehrenreich bemerkt: „Ich habe die PK-Kultur in den Hochschulen gesehen, hauptsächlich unter Hochschulstudenten, die verhältnismäßig eng zur Elite stehen, sowie in den elitären Hochschulen. Sie läuft auf eine Art Snobismus hinaus.“ [43]

Für Sozialisten mit einer Orientierung auf die Arbeiterklasse ist jede Art Snobismus darüber, wie sich Werktätige ausdrücken, die sich zum politischen Bewußtsein erwecken, eine Katastrophe. Das heißt nicht , daß man Zugeständnisse gegenüber rassistischen und sexistischen Ideen macht; ganz im Gegenteil, es heißt, darauf zu konzentrieren, was die Menschen Machen und was sie denken, eher als auf die Formalitäten der Sprache. Das marxistische Motto heißt nicht: „Am Anfang war das Wort“, sondern: „Am Anfang war die Tat“.

 

 

Die westliche Kultur und der Kanon

Von allen Fragen, die in der Debatte über PK in Amerika entstehen, hat wahrscheinlich der Kampf zwischen den Verteidigern der westlichen Kultur und den Befürwortern des Multikulturalismus die meiste Hitze erzeugt. Die europäische und nordamerikanische Bourgeoisie hat ziemlich viel – finanziell, politisch, intellektuell – in seine bestimmte Ansicht zur Geschichte und zur Kultur investiert. Diese Ansicht stellt der „Aufstieg der Zivilisation“ als einen mehr oder weniger linearen Prozeß dar, der im Nahen Osten anfängt (der vorläufig zu diesen Zwecken an Europa annektiert wird) und durch das antike Griechenland, das antike Rom, das Mittelalter, die Renaissance, die Reformation und die Aufklärung zur heutigen westlichen Demokratie läuft. Sie stellt alle, oder fast alle, der höchsten philosophischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Errungenschaften (Homer, Platon, Aristoteles, Dante, Michelangelo, Shakespeare, Newton, Mozart, Goethe, Kant, Einstein usw.) dar als Sachen, die innerhalb dieser Tradition liegen. Bis vor kurzem durchdrang und beherrschte dieses welthistorische Bild die ganze Bildung im Westen; eigentlich bleibt es bis zum heutigen Tag überwältigend vorherrschend. Zur Zeit steht sie jedoch vor einer Herausforderung von innerhalb den amerikanischen Universitäten – einer Herausforderung, die im Namen des Multikulturalismus gestellt wird.

Diese Debatte hat jede Menge Fragen erhoben, die vom Status des wissenschaftlichen Wissens zu den Ursprüngen der antiken amerikanischen Zivilisation reicht – genug, um Bände mit vielen der einzelnen Kontroversen zu füllen, die an sich spezialisiertes Wissen benötigen [erfordern]. Hier werde ich nur versuchen, eine kurze Zusammenfassung der Argumentation der Multikulturalisten und einen Umriß der marxistischen Reaktion auf die Frage als Ganzer zu geben. Die Hauptbeschuldigungen, die gegen den Kanon der westlichen Zivilisation erhoben werden, sind folgende:

  1. Daß diese Art Bildung nicht für eine multikulturelle Gesellschaft und für eine multikulturelle Studentenschaft geeignet ist – sie nimmt eine einzige mehr oder weniger homogene vorherrschende Kultur an und kann nicht die Bedürfnisse der Studenten aus den Minderheiten ( nach Rollenmodellen, einem Identitätssinn, Selbstachtung usw.) erfüllen.
  2. Daß diese westliche Tradition nicht bloß ungeeignet ist, sondern falsch; daß seine tiefliegende eurozentrische Voreingenommenheit das wahre Bild der menschlichen Entwicklung verzerrt hat, indem sie die Beiträge der nichtweißen und nichteuropäischen Kulturen ausschließt, hinunterspielt und trivialisiert.
  3. Daß die westliche Tradition als Ganze imperialistisch, rassistisch, „klassistisch“ [10*], sexistisch, schwulenfeindlich usw. ist.
  4. Daß alle, oder fast alle, einzelnen Produkte dieser Tradition mit dem Rassismus, dem Sexismus und anderen reaktionären Ideologien durchdrungen oder mindestens behaftet sind.

Auf der Basis dieser Beschuldigungen werden die Schlußfolgerungen gezogen, daß sowohl der Kanon als auch der Lehrplan einer drastischen Revision bedürfen; daß die westliche Tradition und all ihre Werke so kritisiert werden müssen, daß ihr innewohnendes unterdrückerisches Wesen enthüllt wird, und daß, wenn sie nicht verdrängt werden sollte, sie mindestens vom Zentrum der Bühne entfernt und auf der gleichen Ebene wie andere kulturelle Traditionen gestellt werden sollte; daß das Studium von DWEMs (Dead White European Males – toten weißen europäischen Männern) sich mindestens zum Teil dem Studium von Werken weichen muß, die von den Unterdrückten produziert wurden.

Selbstverständlich haben diese Beschuldigungen und diese Vorschläge Schreie der Empörung von Traditionalisten und Konservativen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Akademie verursacht. Wo sollen Marxisten dazu stehen?

Wir müssen mit der Anerkennung der Wahrheit eines Teils der Argumentation der Multikulturalisten. Es stimmt, daß die westliche kulturelle Tradition eine Tradition ist, die von der Ausbeutung, der Unterdrückung, dem Sklaventum, der Eroberung usw. gestaltet worden ist (obwohl sie auch vom Widerstand gegen das alle gestaltet worden ist, obwohl nicht im gleichen Ausmaß). Es stimmt, daß die Darstellung der Tradition eurozentrisch und implizit oder explizit rassistische war in ihrem Hinunterspielen aller anderen Traditionen. Es stimmt, daß die wahre Geschichte der Menschheit zutiefst verzerrt worden ist. Es stimmt, daß die überragendsten Vertreter dieser Tradition nichtsdestotrotz Produkte dieser Gesellschaft sind und daß große Teile ihrer Werke von reaktionären Ideen behaftet sind und daß Kant ein Rassist war, T.S. Eliot ein Antisemit usw., geschweige denn von einer kleineren Persönlichkeit wie Larkin zu sprechen. Es stimmt auch, daß die Bildung und die Studenten von der Korrektur der eurozentrischen Verzerrungen und vom Studium von Konfuzius neben Locke, von Rabindranath Tagore neben Walt Whitman, von Benn Okri und Toni Morrison neben William Golding profitieren würden.

Aber wir müssen auch anerkennen, daß Marxisten diese (Teil-)Übereinstimmung von einem anderen Anfangspunkt und mit einer anderen Methodologie erreichen, die sich von denen unterscheiden, die innerhalb der multikulturalistischen Tendenz vorherrscht. Marxisten gehen die Kultur von der Perspektive des historischen Materialismus an. Die Kultur in all ihren formen entsteht aus den ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft. Wie Engels wiederholt in seinen Briefen über den historischen Materialismus betonte, besteht das Verhältnis zwischen der ökonomischen Basis und dem ideologischen Überbau nicht aus der einfachen Widerspiegelung oder der mechanischen Bestimmung [44], nichtsdestoweniger gibt es immer ein Verhältnis und die Produktion bleibt vorrangig. Es gibt keine Philosophie, Religion oder Kunst, die so exklusiv ist, daß sie von den materiellen Bedingungen in der Gesellschaft, woraus sie entsteht, völlig trennbar ist. Außerdem wird in einer in Klassen aufgeteilte die herrschende Kultur immer die Kultur der herrschenden Klasse sein, der Klasse, die deswegen, weil sie Kontrolle über die Mittel der materiellen Produktion hat, auch die Kontrolle über die Mittel der geistigen Produktion hat. [45] Daraus folgt, daß, wenn die herrschende Klasse in der Gesellschaft eine Sklaven besitzende Klasse ist, dann die Kultur unvermeidlich diese Tatsache widerspiegeln wird. Wenn die herrschende Klasse eine imperialistische Klasse ist, wird diese Tatsache Spuren in der Religion, in der Literatur und in der Kunst hinterlassen. Wenn die Gesellschaft eine Gesellschaft ist, wo Frauen unterdrückt werden, wird man den Sexismus in ihren Gemälden, in ihrer Musik und in ihren Romanen finden.

Aber aus diesem Ansatz folgen auch bestimmte äußerst wichtige Unterschiede mit der PK-Version des Multikulturalismus. Wenn Anhänger der PK die westliche Zivilisation als aggressiv und unterdrückerisch verurteilen, legen sie die Betonung auf dem Begriff „westlich“, als ob eine aktive erklärende Kategorie wäre. Für Marxisten ist der Schlüsselbegriff „Zivilisation“. Der Aufstieg der Zivilisation – des Lebens in Städten – entstand aus der Produktion eines Überschusses darüber, was für das unmittelbare Überleben nötig ist, und aus der darausfolgenden Spaltung der Gesellschaft in Klassen, wovon die eine von der Arbeit der anderen lebte. Daher haben sich bis zum heutigen Tag die Zivilisation und ihre ganze Kultur auf der Grundlage der Ausbeutung gestützt und sind deshalb von der Aggression, der Unterdrückung, der Gewalt und allem anderen untrennbar. Die historische Tatsache, daß während der letzten 500 Jahre die Produktivkräfte am schnellsten in Europa und Nordamerika entwickelt haben, bedeutet vielleicht, daß die westliche Zivilisation diese Merkmale zum höchsten Grad – auf das Niveau von Auschwitz und Hiroshima – entwickelt hat, aber diese Merkmale sind auch in jeder Gesellschaft, im Norden, im Osten, im Süden und im Westen, die zwischen dem Ende des Urkommunismus und dem Erringen des Sozialismus steht. Es ist deshalb sinnlos, wenn man die westliche Zivilisation im Namen der östlichen, der afrikanischen oder einer anderen Zivilisation verurteilt, als ob Krieg, Unterdrückung, Sklaventum und andere Abscheulichkeiten nicht da zu finden ist, und die Versuchung, das zu machen, gibt oft die PK der Lächerlichkeit preis, denn es leicht ist, solche Behauptungen zu widerlegen. [46]

In ähnlicher Weise, wenn Anhänger der PK von der westlichen europäischen männlichen Kultur sprechen, betonen sie Kategorien die höchstens zweitrangig sind und lassen die Kategorie weg, die für die Erklärung der gegenwärtigen Kultur grundsätzlich, nämlich die Kategorien „bürgerlich“ oder „kapitalistisch“. Natürlich stimmt es, daß der Kapitalismus zuerst in Europa entwickelte und daß Europäer zufällig weiß waren und daß diese Entwicklung der weißen europäischen Bourgeoisie eine Epoche der weltweiten ökonomischen, politischen und kulturellen Vorherrschaft gab, aber die Vorstellung, daß es irgendwelche innewohnende Verbindung zwischen dem Weißsein bzw. Europäern und dem Kapitalismus bzw. der Vorherrschaft ist ebenso absurd wie die Vorstellung, daß es etwas besonders Britisches bei der Industrialisierung oder besonders Chinesisches mit dem Schießpulver gibt. Sie ist auch eine intellektuelle Kapitulation vor der rassistischen Mythologie, die sie zu bekämpfen versucht. Der Kapitalismus kann sich entwickeln und hat sich entwickelt auf allen fünf Kontinenten unter Völkern mit schwarzem, braunem bzw. weißem Haut und im Prozeß hat er ein bemerkenswert ähnliche Kultur verursacht.

Wieder, weil der PK-Diskurs dazu neigt, die Kategorien „Kapitalismus“ und „Klasse“ wegzulassen, neigt er dazu, die Homogenität der westlichen Kultur zu übertreiben und ihre Widersprüche zu unterschätzen, was eine Art kulturellen oder sogar biologischen Reduktionismus verursacht, der viel breiter ist als der ökonomische Reduktionismus, den man oft dem Marxismus zu Last legt. Die Vorstellung, daß der Inhalt des Denkens oder der Kunst eines jeden Individuums mechanisch durch die Rasse, das Geschlecht, die Klassenzugehörigkeit oder die Nationalität dieses Individuums festgelegt wird, ist offensichtlich falsch. Blake, Shelley, Rembrandt, Goya und Brecht sind alle tote weiße europäische Männer, und alle haben eine prominente Stelle im Kanon, trotzdem, wenn man vorstellt, das das Werk eines einzelnen von ihnen einen unkritischen Ausdruck des Status quo oder der vorherrschenden Kultur darstellt, bedeutet das, daß man es nie angeschaut hat. In der Tat enthält das Werk aller von ihnen viel, daß die Revolte der Unterdrückten beider Geschlechter und aller Kontinente inspirieren kann. auch unter Schriftstellern, deren Politik reaktionär war – wie Balzac, Kipling, Eliot und Lawrence – sind Elemente einer mächtigen Kritik der bestehenden Gesellschaft vorhanden.

Eigentlich, wenn man überhaupt von der westlichen Kultur als feudal, kapitalistisch und imperialistisch spricht, ist es immer noch eine übertriebene Vereinfachung. jede Klassengesellschaft ist eine Gesellschaft der Klassenvorherrschaft, aber sie ist auch eine Gesellschaft des Klassenkampfs. Es gibt immer Widerstand und dieser Widerstand hat immer eine Wirkung auf die Kultur. Die Bibel enthält: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“, aber auch: „Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins Reich Gottes komme“. [47]

Die mittelalterliche Kultur war überwiegend feudal aristokratisch und religiös, aber sie enthält die Zeilen von John Bull: „Als Adam grub und Eva Spann, wer war dann der Edelmann?“. [11*] Michelangelo arbeitete für die Medicis und für den Papst, aber seine Werke, z.B. seine Skulpturen von Sklaven gaben auch dem Kampf um die menschliche Freiheit einen außerordentlich mächtigen Ausdruck. Die englische Malerei des 18. Jahrhunderts war hauptsächlich im Dienst des Landadels – Gainsboroughs Gemälde Mr and Mrs Andrews ist das höchste Beispiel –, aber neben Gainsborough steht die scharfe Satire von Hogarth.Der Imperialismus hinterließ seine Spuren im englischen literarischen Kanon von Robinson Crusoe bis auf Kern der Dunkelheit, aber der Widerstand gegen den Imperialismus ist keineswegs abwesend, wie z.B. in Wordsworths Sonett, Toussaint L’Ouverture, Swifts Bescheidener Vorschlag oder Yeats’ Ostern 1916.

Während des 20. Jahrhunderts sind die USA das vorrangige kapitalistische Land und ihre Kultur ist unvermeidlich mit kapitalistischen Werten durchtränkt, trotzdem schließt die amerikanisch Kultur auch Steinbecks Die Trauben des Zorns, Chaplins Moderne Zeiten, Ginsbergs Schrei [12*] und die Lieder von Joe Hill und Woody Guthrie ein und dabei hat man nicht den Beitrag der Schwarzen erwähnt.

Deshalb ist jede allzu simple Ablehnung der westlichen Kultur als Ganzer oder bestimmter Schriftsteller oder Künstler aufgrund ihrer Farbe, ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Klassenzugehörigkeit äußerst töricht.

Für Marxisten klingt dieser Aspekt der Debatte über PK bekannt, denn eine ähnliche Tendenz, die ähnliche Fehler machte, entstand innerhalb unserer Tradition nach der Russischen Revolution. Proletkult, die Bewegung für proletarische Kultur, bezog klare Stellung auf dem Boden der Klassenzugehörigkeit, nicht der Rasse oder des Geschlechts, aber es fiel in die gleiche bombastische Ablehnung der vergangenen Kultur, in die gleiche übertriebene Vereinfachung des Verhältnisses zwischen Politik und Kunst und in die gleichen Illusionen hinein, daß eine neue Kultur sich durch dogmatische Vorschriften erzeugen ließe. Zu jenem Zeitpunkt widerlegten die führenden marxistischen Theoretiker, Lenin und Trotzki, entschieden diese übertriebene Behauptungen und erklärten, daß eine revolutionäre Haltung zur „westlichen“ – d.h. bürgerlichen – Kultur nicht hieß, daß man sie in den Abfalleimer werfen sollte, sondern einen langen Kampf erforderte, um ihre Errungenschaften für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten anzueignen, die vorher davon ausgeschlossen wurden. [48]

Eine relativ neue Frage, die auffällig in der Debatte über PK vorgekommen ist, ist die Frage des Afrozentrismus. Diese ist eine Darstellung der historischen Entwicklung, die von einer Anzahl von schwarz-nationalistischen Schriftstellern wie Molefi Kete Asanta und Lionel Jeffries gegen die vorherrschende eurozentrische Darstellung vorgebracht wird. Diese Perspektive kommt in mehreren verschiedenen Versionen, aber seine Hauptbehauptungen sind, daß Afrika die Geburtsort der Menschheit ist, daß Ägypten die Geburtsort der Zivilisation ist, daß die Zivilisationen, die anderswo (in Irak, Griechenland, China, Mittelamerika) entwickelten, das Ergebnis der unmittelbaren kulturellen Verbreitung aus Afrika waren und daß deshalb Afrika eher als Europa zurecht im Zentrum der menschlichen Geschichte stehen sollte.

Natürlich ist der Afrozentrismus eine Reaktion auf den unverhohlenen (und versteckten) Rassismus, der seit langem die westliche Kultur durchdrungen hat – die Art Rassismus, die ablehnte zu glauben, daß die herrlichen Bauten des Großen Simbabwes von Afrikanern hätte gebaut werden können. Einige seiner Behauptungen stimmen oder aller Wahrscheinlichkeit nach stimmen – daß die Menschen zuerst in Afrika entstanden, daß Ägypten in Afrika ist und daß Ägypten eine der ersten Zivilisationen war und einen bedeutenden Einfluß auf Griechenland hatte. Nichtsdestotrotz gibt es eine offensichtliche Mangel im afrozentrischen Ansatz, insofern er versucht, den Eurozentrismus umzustülpen, indem er viele der gleichen höchst ideologischen und unwissenschaftlichen Rassenkategorien benutzt. Es hat z.B. eine hitzige Kontroverse über die genaue Hautfarbe der Altägypter gegeben, wobei europäische Gelehrte (besonders während des 19. Jahrhunderts) versuchte, die Ägypter heller oder weißer zu machen, ähnlich wie Jesus als Weißer dargestellt wurde, und die Afrozentristen argumentieren, daß sie Schwarze waren. Aber vom Standpunkt jeder ernsthaften historischen Darstellung und besonders vom Standpunkt des historischen Materialismus, der völlig die Vorstellung ablehnt, daß Kultur oder Zivilisation oder Wissenschaft oder Kunst ein Monopol irgendwelcher Rasse ist, und den Begriff „Rasse“ selbst als irgend etwas mehr all ein soziales Gedankengebäude ablehnt, ist die Hautfarbe der Altägypter eine kleinere empirische Frage mit nicht mehr zeitgenössischer Bedeutung als der Frage, ob die Altbriten sich mit dunkel- oder hellblauem Färberwaid malten. In ähnlicher Weise wiederholt die Behauptung, daß die altchinesischen und altamerikanischen Zivilisationen von afrikanischer Herkunft waren (die unwahrscheinlich scheint sowie kaum oder keine empirische Untermauerung hat), einfach den eurozentrischen Fehler, die den kulturellen Fortschritt „anderen“ Völkern verweigert.

Die Umstülpung der Mythen der Unterdrücker ist nicht eine Methode, die sich auf dem Afrozentrismus beschränkt. Sie ist auch von Feministinnen praktiziert worden, die versuchen, Frauen als das „fürsorgliche“, „Frieden liebende“ Geschlecht darstellen, von einigen Vulgärmarxisten, die die Rückständigkeit der Arbeiterklasse verherrlichen und von Stalinisten, die argumentierten, daß, da die westliche Bourgeoisie das stalinistischen Rußland als ein Reich des Übels darstellten, es ein Arbeiterparadies sein müßte. Sie ist immer minderwertige Theorie, die bloß zum Ersatz eines Mythos durch einen anderen führt.

Nach dieser Kritik des Afrozentrismus ist es auch notwendig, zwischen dem Bereich des theoretischen Kampfes und dem Bereich des politischen Kampfes zu unterscheiden – die beiden sind verbunden, aber nicht identisch. In seiner Autobiographie z.B. berichtet Malcolm X über seine Einführung in die historische Theorie der Nation des Islams, wonach die Weißen eine Rasse von „Teufeln“ seien, die speziell vor 6000 Jahren auf dem Insel Patmos vom bösartigen [üblen] Wissenschaftler Mr Yacub gezüchtet worden seien. [49] Diese „Dämonologie“, wie Malcolm X selbst sie später nannte, ist reinster Unsinn mit einem wissenschaftlichen Status, der dem Mythos entspricht, daß Gott die Frauen aus Adams Rippchen schuf. Aber das ändert keineswegs unsere politische Solidarität mit Malcolm X als einem großen Kämpfer für die Befreiung der Schwarzen, noch unsere Unterstützung für ihn gegen die Rassisten, die herrschende Klasse und die Liberalen (von denen viele zweifellos genauere und richtigere Theorien über die menschliche Entwicklung halten). In ähnlicher Weise müssen wir in vielen politischen Kämpfen gegen den Rassismus mit den Afrozentristen stehen, ohne daß wir überhaupt Zugeständnisse zu ihren irrigen Theorien machen.

Eine letzte Kritik muß man vom Ansatz der PK zur „westlichen Kultur“ und zum Kanon machen. Das Einordnen von Kunst, Künstlern und ihrem Publikum in unbeugsam begrenzte ethnischen, Geschlechts- oder nationalen Kategorien schafft ein Hindernis zum Verständnis und zur Würdigung einer der wichtigsten gegenwärtigen kulturellen Tendenzen sowohl in der „hohen Kunst“ als auch auf der Straße – nämlich die kulturelle Wechselwirkung, Übernahme und Zusammenschmelzung. In Wirklichkeit ist die kulturelle Zusammenschmelzung ebenso alt wie die menschliche Kultur selbst, aber in der Ära des Weltkapitalismus, der internationalen Produktion und der weltweiten Kommunikation sind ihre Häufigkeit und ihre Vielfalt enorm gestiegen. Vom lateinamerikanischen Roman zur südafrikanischen Musik und der simbabweansischen Skulptur sind die kulturelle Übernahme und Wechselwirkung am Werk bei der Produktion lebendiger künstlerischen Innovation. Traditionalisten werden diese Entwicklungen verurteilen und ablehnen, wie in einer früheren Generation sie den Jazz, die Blues und Rockmusik als „Dschungelmusik“ verurteilten. Gefährlicher vielleicht ist die Drohung der Einverleibung , der Korrumpierung und der Homogenisierung durch die Geldmaschine von Disney/Hollywood (oder auch eigentlich durch die von Bombay). Aber es ist deutlich, daß diese reiche Vielfalt sich nicht durch die Methoden der PK verteidigen bzw. ermutigen läßt. Was erforderlich ist, ist ein echter Internationalismus, der versteht, daß alle Kultur eine kreative menschliche Reaktion auf die gesellschaftlichen Zustände [Bedingungen] im Leben der Menschen mit ihrer ganzen Komplexität und ihren ganzen Widersprüchen ist.

 

 

Eine Anmerkung über Großbritannien

Bislang hat dieser Artikel sich auf die Debatte über PK in den USA konzentriert, aber offensichtlich gelten viele seiner Argumente und Schlußfolgerungen auf für die PK in Großbritannien. Es gibt jedoch einige Unterschiede, die eine Erläuterung benötigen. Erstens sind die Kontroverse sowie die Erscheinung selbst auf einem viel größeren Ausmaß gewesen, als es der Fall in Großbritannien gewesen ist und allem Anschein nach in der Zukunft sein wird. Es gibt mehrere Gründe dafür: die Tatsache, daß die Linke in Großbritannien tiefer in der Arbeiterklasse und ihrer Massenorganisationen verwurzelt ist; die Tatsache, daß Schwarze und andere ethnische Minderheiten einen größeren Anteil der Bevölkerung in den USA bilden, sowie auch in der Studentenschaft, und deshalb eine viel stärkere Interessenvertretung haben; die Tatsache, daß die Schwarzen-, die Frauen- sowie die Lesben- und Schwulenbewegung alle in den USA viel größer gewesen sind.

Aus all denselben Gründen werden PK-Aktivitäten in Großbritannien (und die Angriffe dagegen) wahrscheinlich in solchen Gebieten konzentriert wie Sozialarbeit, dem Bewährungsdienst, Schulen (im Gegensatz zu den Universitäten [50]) und Kommunalverwaltungen sowie in den damit verbundenen Gewerkschaften. Diese sind Gebiete, die Linke angezogen haben und wo linke Ideen, besonders antirassistische, antisexistische Ideen, eine starke Anwesenheit gehabt haben Sie sind aber auch Gebiete, wo gebildete Linke in den oberen Angestellten-Rängen der Arbeiterklasse, oder in den Mittelschichten, leitende oder halbleitende Funktionen ausüben. Daher entsteht die Versuchung, einen Versuch zu machen, den Antirassismus, den Antisexismus usf. von oben mittels administrative Regelungen aufzuerlegen. Dies führt direkt zu einigen der schädlicheren Merkmalen der PK. Die Probleme der PK sind besonders akut, wo die betroffenen Ämter an der Verwaltung von unzulänglichen und schrumpfenden Ressourcen beteiligt sind, so daß Spannungen zwischen den Fachleuten, die als Vertreter des Staats betrachtet werden, und ihren Kunden verschärft werden.

In vielen Hinsichten war die Kontroverse über die von der Presse genannten „hunderfünfzigprozentig-linken“ Labour-Stadträte während der 1980er Jahre ein Beispiel davon, was man heute als eine Kontroverse über PK beschreiben würde. Junge Labour-Stadträte, Anhänger von Tony Benn, wurden gewählt mit großen Plänen dafür, die Dienstleistungen zu verbessern und Initiativen für Schwarze, für Frauen, für Lesben und Schwule zu finanzieren. Letztere bestanden aus einer Mischung von echt fortschrittlichen Politiken und einer bestimmten Menge von symbolischen Politiken der PK-Art. Das Versäumnis der Labour-Räte im Widerstand gegen die Einmischung der Regierung in den Steuerbefugnissen der Kommunen und gegen die Kopfsteuer hieß, daß sie am Ende des Tages schlechter, nicht bessere Dienstleistungen verwalteten, aber fest an ihren Symbolen hielten, die normalerweise billig, aber für die meisten Arbeiter, Schwarze und Weiße, Frauen und Männer, irrelevant waren. Grob ausgedrückt: Es kostet weniger Schilder aufzustellen, die die Kommune zu einer nuklearfreien Zone erklärten oder einen Plattenbau nach Nelson Mandela umzubenennen, als es kostet, ordentliche Straßenbeleuchtung oder Hausreparaturen zu liefern. Offensichtlich ließ das die Kommunalräte für Angriffe von den Rechten und von der Presse offen mit einer großen Möglichkeit, daß diese Angriffe einen Widerhall unter den Werktätigen finden würden. Die ständige Bewegung der Labour Party nach rechts hat im großen und ganzen die linken Kommunen erledigt und die Konzentration auf PK in die Sozialdienstleistungen und ähnliche verschoben.

Die Sozialarbeit ist ein gutes Beispiel von einem Bereich, wo es wahrscheinlich ist, daß PK entsteht. Sozialarbeiter werden vom kapitalistischen Staat eingestellt, um die Opfer der Ausbeutung, der Armut und der Arbeitslosigkeit zu behandeln. Durch „Behandlung“ meint der Staat eine Kombination aus Hilfe und Disziplin, um die gesellschaftliche Stabilität aufrechtzuerhalten. Innerhalb dieser Kombination legen die Menschen, die Sozialarbeiter werden, die Betonung auf Hilfe (mindestens subjektiv). Der Staat legt jedoch die Betonung auf der gesellschaftlichen Kontrolle. Sozialarbeiter, egal wie wohlmeinend oder links, können nicht völlig der disziplinarischen Rolle entkommen, die sie zu spielen gezwungen werden. Viele Menschen aus der Arbeiterklasse sind dieser bewußt und betrachten deshalb Sozialarbeiter mit einer tiefen Ambivalenz. Daß Sozialarbeiter sich anstrengen, um dieses Problem anzugehen, ist natürlich ein Schritt nach vorne. Aber die Natur ihrer objektiven Position heißt, daß sie das höchstwahrscheinlich in einer bürokratischen dogmatischen Weise von oben machen.

Ein Beispiel, die vielleicht im strengen Sinne nicht unter dem Etikett der PK kommt, die aber die Gefahren veranschaulicht, war die Reaktion einiger Sozialleistungsabteilungen auf die Probleme des Kindermißbrauchs. Offensichtlich wurden die Sozialarbeiter in eine unmögliche Lage gestellt, widersprüchlichen Befehlen untergeordnet, wonach sie einerseits die Kinder schützen und andererseits die Familien zusammenhalten sollten – sie wurden verdammt, wenn sie einmischen, aber auch wenn sie nicht einmischen. Nichtsdestotrotz ist es klar, daß in einigen Fällen wie in Cleveland sie für ihre frühere Verleugnung überkompensierten, ein Dogma des fast universellen Mißbrauchs errichteten und in einer Weise reagierten, die unverhältnismäßig und äußerst unsensibel gegenüber Familien und Kindern aus der Arbeiterklasse war.

Ein anderes Beispiel, das offensichtlicher mit PK verbunden ist, ist die Frage der Adoption über Rassengrenzen. Einige Sozialleistungsabteilungen haben eine Position der totalen Opposition gegen alle Adoptionen über Rassengrenzen angenommen, was auch Paare aus Mischehen einschließt. Die wohlmeinende Rechtfertigung für diese Politik heißt, daß, da Schwarze in dieser Gesellschaft vor dem Rassismus stehen, nur schwarze Eltern schwarzen Kindern die Unterstützung geben können, die sie benötigen, um damit umzugehen. Aber hinter dieser Argumentation steht eine Anzahl von typischen PK-Vorstellungen: daß alle Weißen rassistisch sind, daß die „weiße Kultur“ und die „schwarze Kultur“ völlig verschiedene und getrennte Gebilden sind und daß die schwarze Kultur mindestens so bleiben soll.

Das erkennt überhaupt nicht an, daß viele weiße Adoptiveltern Antirassisten sind, die völlig dazu fähig sind, schwarze Kinder gegen den Rassismus zu unterstützen, die über die schwarze Kultur wissen oder lernen werden, und die ihre Kinder aufziehen werden, so daß sie stolz sind, schwarz zu sein, gerade wie es schwarze Eltern gibt, die ihre Kinder als Menschen aufziehen werden, die sich den Weißen gegenüber geringfügig handeln. Inzwischen, da es einen Überschuß von schwarzen Kindern gibt, die auf eine Adoption warten, werden die Kinder in Pflege oder in Einrichtungen gelassen. Gleichzeitig, indem sie auf Hautfarbe und nicht auf Einstellungen konzentriert, gibt diese „Nur-zur-selben-Rasse“-Politik dem rechten rassistischen Argument zu, daß „Rasse“ einen grundsätzlichen und unüberwindbaren Riß in der Gesellschaft bildet und daß Schwarze und Weiße nicht zusammenleben oder völlig integrieren können. Hier rechtfertigt der Multikulturalismus die Rassentrennung und arbeitet gegen die Einheit der Klasse, die einzige wirkliche Basis für die Bekämpfung des Rassismus.

Die National Association of Probation Officers (NAPO – die Gewerkschaft der Bewährungshelfer) hat auch anscheinend wegen der PK ausgeflippt. In einem ausgezeichneten Artikel über PK für die Zeitung Socialist Worker berichtet Charlie Kimber:

1991 erhielten die Delegierten beim Gewerkschaftstag ein Handbuch, das Begriffe wie „paymaster“ als sexistisch und „fat chance“ als „size-ism“ verbot. Das nächste Jahr schloß der Vorstand einen Antrag aus, weil er das Wort „tinkering“ enthielt mit der Begründung, daß es eine Beleidigung der Roma sei. Er fügte hinzu, man dürfe nicht einen Streikbrecher „scab“ [13*] nennen, weil es eine „Beleidigung von Menschen mit Hautkrankheiten“ wäre ... Die NAPO mobilisiert auch Sprachüberwacher, die Delegierten beim Gewerkschaftstag anhören. [51]

Wie Charlie in knappen Worten bemerkt: „Das ist Schwachsinn.“ Es Schein auch wahrscheinlich, daß es ein Versuch ist linguistische für zutiefst problematische Rolle zu Kompensieren, die Bewährungshelfer zwangsmäßig als der weiche Flügel des juristischen Systems spielen müssen.

Ein anderer Konzentrationspunkt für PKL in Großbritannien ist die Branche für Rassenverhältnisse – das Netzwerk von offiziellen Körperschaften, die die Commission for Racial Equality (Kommission für Rassengleichheit) in seinem Zentrum hat, die von Menschen belegt sind, deren Beruf darin besteht, die Verhältnisse zwischen den Rassen zu verbessern und den Rassismus zu bekämpfen. Traditionell ist diese Branche von liberalen (oder sogar rechten) paternalistischen Weißen und sehr gemäßigten und anständigen Schwarzen aus den Mittelschichten dominiert wird, aber es gibt auch eine radikalere Linke in derselben Branche. Was jedoch die Linke mit der Rechten teilt, ist die Tatsache daß ihre antirassistische Tätigkeit dazu neigt, sich auf die Gremien zu beschränken. Sie verbringen ihr ganzes Leben beim Entwerfen von Politiken für das Gesundheitswesen, für die Polizei, für das Bildungswesen usw., wobei sie kaum je sich auf die Straßen und in die Wohngebiete benehmen, um den Rassismus in vorderster Front zu konfrontieren. Wörter stehen wieder hoch im Kurs. Die Linke streitet mit der Rechten über die Sprache, über die Benennung des Komitees, darüber, was seine Ziele und Pflichten sein sollten usw. So entsteht eine Kultur, die mit der terminologischen Richtigkeit besessen ist.

In all diesen Situation haben Sozialisten die Aufgabe, die keineswegs eine leicht ist, jeden echten Schritt nach vorne gegen die Unterdrückung und die Diskriminierung von der sinnlosen und kontraproduktiven Symbolismus zu unterscheiden und zu unterstützen, ohne daß sie die Rechte dabei trösten. Ein Beispiel davon, wie man nicht reagieren sollte, liefert Melanie Phillips. In einer Schmähschrift gegen die PK in der Observer eröffnete sie einen Angriff gegen die Ausbildung von Sozialarbeitern, die die ganze hyperbolischen Sprache der amerikanischen Rechten benutzte. So werden wir mit Greuelberichten unterhalten über „eine Korrumpierung der traditionellen Werte der aufgeschlossenen Bildung“, über „Totalitarismus“, über „die Einschüchterung zu falschen Geständnissen“ und die „böswillige Intoleranz“. Im Verlauf ihres Angriffs erreicht Phillips, wie D’Souza und Hughes vor ihr, zweifelsohne einige Treffer. Aber sie verurteilt auch die Kurse zur Ausbildung von Sozialarbeitern, weil sie benötigt werden, sich mit „Prozessen der strukturellen Unterdrückung, Rasse, Klasse und Geschlecht“ zu beschäftigen, und weil sie versichern, daß Studenten bewußt sind vom „individuellen und institutionellen Rassismus und von Weisen, wie man beide durch antirassistische Praxis bekämpfen kann“. [52] Dazu ist man gezwungen zu antworten: welche Art Kurs zur Ausbildung von Sozialarbeitern im gegenwärtigen Großbritannien sich nicht mit diesen Fragen beschäftigen würde? Schließlich bilden sie Teil jedes Kurses für A-Level und GCSE. [14*]

Was vor allem bei Phillips’ Rhetorik widerlich ist und was auch von vielen Verfechter gegen PK typisch ist, besteht darin, daß sie die ganze Zeit in einem Ton des erwartungsvollen Martyriums schreibt und sich für ihre Mut gratuliert, daß sie sich dem „verabredeten Stillschweigen“ entgegenstellt. Eigentlich drückte sie Ansichten aus, die herzlich Applaus von jedem Konservativen Abgeordneten, nicht wenigen Labour-Abgeordneten und jedem Zeitungsredakteur und -besitzer gewinnen wird und wofür sie dadurch belohnt wird, daß sie in zahlreichen Diskussionssendungen im Fernsehen erscheint. Kurz gesagt: Sie hat in die Hände der Rechten gespielt.

Als ich diese Zeilen schreibe, verspricht der Innenminister Michael Howard, daß er das Schweigerecht beenden und die Bevölkerung der Gefängnissen vergrößern wird und der Minister für Soziales prangert alleinerziehende Eltern und ausländische Schmarotzer an. In der gleichen Woche werden die Polizisten, die für die Einkerkerung der unschuldigen Birminghamer Sechs, freigelassen, ohne daß sie je vor Gericht gestanden sind. Das alles macht ein widerliches Spektakel, aber im Zusammenhang der Furore über PK scheint es auch als nützliche Erinnerung daran, wer wirklich „traditionelle liberale Werte“ droht, wer wirklich „böswillige Intoleranz“ zeigt und wer wirklich „zu falschen Geständnissen eingeschüchtert“ wird.

Gleichzeitig ist eine richtige Identifizierung des wirklichen Feindes – der herrschenden Klasse, ihres Staatsapparates und ihrer politischen Vertreter – ist der Schlüssel dazu, die Torheiten der PK zu vermeiden. Wenn wir es als unser Ziel setzen, nicht die Sprache des Studenten, des Lehrers des Bahnarbeiters zu korrigieren, sondern denselben Studenten, Lehrer und Bahnarbeiter gegen die Klassenangriffe jenes Feindes zu mobilisieren – Angriffe, die völlig materiell sind wie auch verbal und die rassistische, sexistische und schwulenfeindliche Angriffe einschließen –, werden wir nicht bloß mehr machen, um die Wurzeln des Rassismus, des Sexismus und der Homophobie anzugreifen, sondern auch im Verlauf der Mobilisierung die Sprache und die Kultur des Studenten, des Lehrers und des Bahnarbeiters verbessern.

 

 

Anmerkungen

36. L. Trotzki, Die verratene Revolution, in Trotzki, Schriften: Sowjetgwesellschaft und stalinistische Diktatur, Bd.1.2, Hamburg, 1988, S.804.

37. L. Trotzki, Verteidigung der Russischen Revolution, in Trotzki, Schriften: Sowjetgwesellschaft und stalinistische Diktatur, Bd.1.1, Hamburg, 1988, S.396-6.

38. Man soll merken, daß die Bolschewiki erst ziemlich lange nach der Revolution soweit gingen, sich die politisch korrekte Bezeichnung „Kommunistische Partei“ zu geben.

39. Für eine marxistische Kritik dieser Tendenzen s. A. Callinicos, Is There a Future for Marxism?, London 1982, und Against Postmodernism, Cambridge 1992.

40. D. Spender, Man Made Language, London 1980, S.1.

41. Marx u. Engels, Die deutsche Ideologie, in MEW, Bd.3, S.12-3.

42. Es ist schwierig eine Gruppe vorzustellen, die mehr zum Rande der Gesellschaft gedrängt und unterdrückt wird, als die Zigeuner [Roma und Sinti] trotzdem enthält das Argot meiner Heimatstadt Portsmouth (und Portsmouth ist nicht die einzige Stadt, wo es der Fall ist) zahlreiche Wörter aus der Zigeunersprache, Romani, die in der Arbeiterklasse weit verwendet werden: “dinlo” (dumm), “chary” (Kind), “mush” (Kerl, Typ), “chore” (klauen), “bok” (Glück oder Pech), “kushtee” (gut, in Ordnung, OK).

43. Barbara Ehrenreich, in Debating PC, S.335.

44. s. z.B. Engels an Joseph Bloch, 21.22. September 1890, MEW, Bd.37, S.463.

45. Marx u. Engels, Die deutsche Ideologie, in MEW, Bd.3, S.46.

46. Sowohl D’Souza als auch Hughes stellen demonstrativ die afrikanische Komplizenschaft und die arabische Praxis im Sklavenhandel zur Schau (s. D. D’Souza, a.a.O., S.76-7, und R. Hughes, a.a.O., 140-7). Und in der Tat schafft es Hughes, das Argumjent über Sklaverei zu einer besonderen Leistung des Westens umzuwandeln aufgrund der Tatsache, daß, während „ Afrika, Islam und Europa alle an der schwarzen Sklaverei teilnahmen, nur Europa (hier einschließ Nordamerika) sich als fähig bewies, ihre Abschaffung vorzustellen“. Aber Hughes verpaßt wieder zwei äußerst wichtige Punkte durch seine Konzentration auf Kultur atatt Kultur und Kampf. Erstens: die Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei im Westen entstand nicht aus der Moral sondern aus dem Übergang zum Industriekapitalismus, wofür die Sklaverei ungeeignet ist – daher der Konflikt zwischen den Industriestaaten des Nordens und den Staaten des Südens, die sich auf Plantagenwirtschaft stützten. Zweitens: er ignoriert die Rolle der Sklavenaufstände, wie, z.B. der von Toussaint L’Ouverture geführten Revolte in San Domingo.

47. Matthäus 22: 24, Die Bibel, Neues Testament, Stuttgart 1985, S.31; Matthäus 19: 24, ebenda, S.27.

48. s. L. Trotsky, Literature and Revolution, London 1991, und L. Trotsky, On Revolution and Art, New York 1970, besonders der Artikel Class and Art, S.63-82.

49. s. The Autobiography of Malcolm X, Harmondsworth 1968, S.258-62.

50. Die Hauptausnahme dazu und das Hauptbeispiel der PK im Hochschulwesen hat die oberen Schichten der National Union of Students (NUS – der landesweiten Interessenvertretung der Studenten). In den letzten Jahren sind die Konferenzen und der Bürokratie der NUS von einer wilden symbolischen Politik und der Identitätspolitik beherrscht. Diese Tendenz ist mit einer Bewegung nach rechts, was sowohl die allgemeine Politik und studentischen Kämpfe betrifft, verbunden und die PK wird mehr oder wenig bewußt als Waffe gegen die revolutionäre Linke benutzt, um direkte Aktion oder jede Art der energischen Politik als „macho“ und „einschüchternd“ anzugreifen.

51. Socialist Worker, 31. Juli 1993.

52. M. Phillips, Oppressive Urge to Stop Oppression, The Observer, 1. August 1993.

 

 

Anmerkungen des Übersetzers

5*. “Vertically challenged” und “follicly impaired” sind als Beispiele der PK-Sprachreform immer wieder in britischen bürgerlichen Zeitungen zitiert worden.

6*. Wortwörtlich: “coloured” = „Farbiger“; “Negro” = „Neger“; “black” = „Schwarzer“; “gay” = „schwul“; “homosexual” = „homosexuell“.

7*. Wortwörtlich: “man” = „Mann“ bzw. „Mensch“; “mankind” = „die Menschheit“; “he” = „er“; “people” = „Leute“ bzw. „Menschen“; “humanity” = „die Menschheit“; “he/she” = „er/sie“; “they” = „sie“ (Mehrzahl).

8*. Wortwörtlich: “black” = „schwarz“; “black day” = „düsterer Tag“; “blackspot” = „Gefahrenstelle“; “blackmail” = „Erpressung“; „blacking“ = „Boykottierung einer Firma während eines Streiks; Bestreikung von Waren“; “black coffee” = „schwarzer Kaffee“; “seminal” = „schöpferisch; keimhaft“, “seminar” = „Seminar; Kurs“ – beide entstehen aus dem Wort “semen” = „Samen“; “history” = „Geschichte“ enthält die Silben “his” = „sein“ und “story” = „Geschichte, Erzählung“, “herstory” ersetzt “his” durch “her”, also = „ihre Geschichte“; “women” = „Frauen“ enthält die Silbe “men” = „Männer“, “wimmin” ist eine Nachahmung der Aussprache von “women” ohne diese ungewollte Silbe.

9*. Wortwörtlich: “special needs” = „besondere Bedürfnisse“; “children with learning difficulties” = „Kinder mit Lernschwierigkeiten“; “disabled” = „behindert“ von “dis-“ = „un-“ und “-abled” = „befähigt“; “differently abled” = „anders befähigt“.

10*. Auf Englisch: “classist”, eine Neuschöpfung, die als Nachahmung der Schöpfung “racist” entstand. Sie bedeutet etwa „von der Überlegenheit einer Klasse geprägt“.

11*. John Bull war ein Wanderprediger und ein Führer des englischen Bauernaufstands 1381. Auf Englisch heißen seine Worte: “When Adam delved and Eve span, who was then the Gentleman?”.

12*. Die englischen Titel heißen: Heart of Darkness, Modest Proposal, Easter 1916, The Grapes of Wrath, Modern Times und Howl. Modest Proposal ist ein satirisches Werk, worin Swift vorschlägt, daß die irische Bauern sich und ihre Kinder vor der Hunger hüten könnten, wenn sie ihre Kinder als Leckerbissen für englische Feinschmecker züchtigen könnten. Easter 1916 ist dem irischen Aufstand jenes Jahr gewidmet. Modern Times ist eine Satire von Hitler.

13*. Wortwörtlich: “paymaster” = „Zahlmeister“; “fat chance” = etwa „Mordschancen“, wörtlich: „dicke Chance“; “size-ism” = etwa „Größe-ismus“ – die Beleidigung von Menschen auf Grund ihrer Größe; “tinkering” = etwa „herumbasteln“, es kommt vom Wort “tinker” = „Kesselflicker“, das auch Roma und andere ähnliche Wandervölker bedeutet; “scab” = „Streikbrecher“, wörtlich: „Schorf“.

14*. A-Level ist die Abschlußprüfung für Leute, die eine Hochschule besuchen wollen, etwa das Äquivalent der Abitur. GCSE ist eine Prüfung die man mit etwa 16 oder 17 macht, also etwa das Äquivalent des Zertifikats der 10. Klasse.

 


Zuletzt aktualisiert am 8.8.2001