Horst Haenisch

 

Der US-Imperialismus und Bretton Woods

(1985)


Aus Klassenkampf Nr.28, April/Mai 1985.
Transkription u. HTML-Markierung: Michael Gavin für REDS – Die Roten.


In Bretton Woods, USA, wurde 1943 und 1944 die Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegsperiode festgelegt, indem ein internationales Zoll- und Handelsabkommen, das spätere GATT, vorbereitet und der Internationale Währungsfond (IWF) gegründet wurde.

Beide Einrichtungen waren Ausdruck der Tatsache, daß die USA endgültig zur führenden wirtschaftlichen Weltmacht aufgestiegen waren, und beide Abkommen stellten die Instrumente bereit, mit denen das amerikanische Kapital seine führende Rolle befestigen und durchsetzen konnte.

Eines der Ziele der USA war, die alten Kolonialmächte - Kriegsverbündete oder nicht - zur Entkolonialisierung zu zwingen und die ehemaligen Kolonien amerikanischen Waren zu öffnen. Bereits 1942 hatten die USA die Finanz- und Militärhilfe für Großbritannien davon abhängig gemacht, daß England die besonderen Zoll- und Handelsregelungen mit den Staaten des Empire aufgibt. Die gleiche Politik machten die USA gegenüber der niederländischen Exilregierung. Sie setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Unterstützung antikolonialer Befreiungsbewegungen fort, solange und insofern nicht Gefahr bestand, daß dadurch der Einfluß der Sowjetunion gestärkt wurde: So erging es Frankreich in Marokko und Tunesien und England und Frankreich im Fall der Suez-Krise.

Die Suez-Krise illustriert auch anschaulich die Funktion des Internationalen Währungsfonds: Als England und Frankreich sich der Forderung der USA nach sofortigem Friedensschluß widersetzten, stieß die amerikanische Bundesbank riesige Mengen britischer Pfund ab, so daß die britische Währung zusammenzubrechen drohte. Nach den Statuten des IWF hätte den Briten das Recht zugestanden, sich beim IWF zu refinanzieren. Es wurde ihnen von der USA jedoch nur gewährt, wenn sie den Friedensvertrag mit Agypten unterzeichneten.

Mit der Errichtung des IWF wurde der Dollar zur Leitwährung erhoben. Damit fiel eine wichtige Schranke, die der Ausbreitung des amerikanischen Kapitals entgegengestanden hatte. Darüberhinaus sollte der IWF Handelshemmnisse beseitigen, die sich aus internationalen Ungleichgewichten des Handels ergaben, indem Länder mit Handelsbilanzdefiziten die Möglichkeit erhalten sollten, Dollars beim Fond auszuleihen.

Während der englische Ökonom John Maynard Keynes - verständlicherweise - die Auffassung vertrat, auch die USA als das Land, von dem in den kommenden Jahren die bedeutendsten Handelsbilanzüberschüsse zu erwarten waren, sollten Opfer zur Stabilisierung der Handelsbeziehungen bringen, setzte sich sein Gegenspieler, der US-Unterhändler John Dexter White durch. Das Druckmittel gegenüber England als dem bisherigen Gravitationszentrum des Weltwährungssystems bestand darin, daß die USA vermittels der Bedingungen über die Rückzahlung der Großbritannien gewährten Kriegskredite jederzeit eine Finanzkrise in der Londoner City auslösen konnte. Whites Plan lief darauf hinaus, dem IWF das Recht einzuräumen, allein den Schuldnerländern Auflagen bezüglich ihrer Wirtschaftspolitik zu machen. Diese Auflagen bestehen regelmäßig in einer brutalen Reduzierung der Löhne und der Sozialausgaben.

Diese Eingriffsmöglichkeiten des IWF entfalten ihre entscheidende Bedeutung seit Mitte der siebziger Jahre mit Einsetzen der Weltwirtschaftskrise und der damit verbundenen Zahlungsbilanzkrise in den industriell gering entwickelten Ländern, als das kapitalistische Modell einer industriellen Entwicklung über Verschuldung zusammenstürzte.

Die Stimmenverhältnisse im IWF richten sich nach den „Quoten“, d.h. nach der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder. Dadurch kontrollieren die kapitalistischen Industrienationen den IWF voll und ganz. Die USA nehmen insofern eine zusätzliche Sonderstellung ein, als gegen ihren Willen an den Quoten und damit an den Stimmenverhältnissen nichts geändert werden kann.

 


Zuletzt aktualisiert am 6.4.2002