Tony Cliff

 

Lenin 1

 

1. Lenin wird zum Marxisten

In allen Religionen wird nicht nur der Heilige, sondern auch seine Vorfahren mit außerordentlichen Frömmigkeit ausgestattet. Ebenso schrieben die stalinistischen Legendenmacher [Mythenmacher] revolutionäre Überzeugungen nicht nur Lenin seit seiner frühsten Kindheit, sondern auch seinen Eltern. Eine 602-seitige offizielle Biographie von Lenin, die unter der Schirmherrschaft des Instituts für Marxismus-Leninismus ausgegeben und 1960 in Moskau veröffentlicht wurde (Wladimir Iljitsch Lenin, Biografija), beschrieb Lenins Vater als fortschrittlicher, radikaler Pädagoge und seine Wohnung in Simbirsk als Art revolutionären Klub. „Der Ton wurde von Alexander gegeben“ (Lenins älterem Bruder), während Wladimir auch „sich häufig an der Diskussion und mit viel Erfolg beteiligte“.

Das ist alles Unsinn. Lenins Vater, Ilja Nikolajewitsch Uljanow, war kein fortschrittlicher Pädagoge. 1869 wurde er zum Posten Inspektor der Schulen in der Kleinstadt Simbirsk an der Wolga ernannt. 1874 wurde er befördert zur Position der Direktor der Schule für die ganze Provinz. Er war jetzt ein Wirklicher Staatsrat, mit dem Orden von Stanislaw, Erster Klasse ausgezeichnet, und wurde Sein Exzellenz genannt. Das machte ihn zum hochrangigen Adligen, im vierten von vierzehn Rängen, mit erblichem Status.

Diese beiden Daten im Aufstieg seines Vaters – 1869 und 1874 – sind bedeutend. Lenin wählt sie in einem 1901 geschriebenen Artikel aus, die die Geschichte des zaristischen Kampfes gegen Kommunalverwaltung (das Semstwo) skizziert, mit dem Titel „Die Verfolger des Sewstwos und die Hannibale des Liberalismus“ [1] als genau die Jahre, wo die zaristische Bürokratie gegen diese lokale Organe der Selbstverwaltung und selbst die Aufsicht über das öffentliche Bildungswesen übernahm. Der Ruf von Ilja Nikolajewitsch im Bildungsministerium [Kultusministerium] und sein ständiger Aufstieg auf der hierarchischen Leiter paßt irgendwie mit dem Bild eines Revolutionärs oder auch eines Radikalen zusammen.

Lenin erinnert sich einmal daran, wie, als Alexander II. 1881 ermordet wurde, sein Vater traurig seinen Beamtenuniform zuknöpfte und zum Simbirsker Dom ging, um den Autokraten zu trauern. Er war ein frommer und praktizierender griechisch-orthodoxer Christ bis zum Ende seines Lebens und ein bedingungsloser Anhänger der zaristischen Autokratie. Es gibt natürlich keinen Grund, zu erwarten, daß der Vater eines Revolutionärs auch selbst ein Revolutionär sein sollte.

Die Aufbauer des Kultes gingen noch weiter und statten Lenin mit übermenschlichen Eigenschaften aus. Er komme ins Leben voll ausgerüstet, ein Marxist und Revolutionär fast seit seiner Kindheit. Und aus seinem kahlen Kopf entspringe voll entwickelt die Partei, die dazu bestimmt sei, die Arbeiterklasse in der Revolution zu führen und zu gestalten.! Die Realität war sehr viel anders. Es brauchte Monate, sogar Jahre, des Studiums und des Denkens, bevor Lenin ein Marxist wurde; erstens mußte er mit den konservativen Ansichten seines Vaters brechen und dann mit der narodnische Haltung seines älteren Bruders.

Am 8. Mai 1887 wurde Alexander Iljitsch Uljanow, Lenins älterer Bruder wegen seiner Teilnahme an einer Verschwörung zur Ermordung des Zaren erhängt. Das war ein schrecklicher Schock für den jungen Wladimir, der zu jenem Zeitpunkt 17 Jahre alt war. Er hatte keinen Verdacht gehabt, daß sein Bruder sich für Politik interessierte. Alexander war zurückhaltend, in sich gerichtet, „er meditierte ständig und war immer traurig“. Er verheimlichte seine politischen Ideen vor allen in der Familie, so daß auch seine Schwester Anna, zwei Jahre älter, die mit ihm in St. Petersburg war, während er sich an der Attentatsverschwörung beteiligte, überhaupt keine Ahnung von seiner Politik hatte. Einige Jahre nach dem Ereignis in 1893 fragte der Sozialdemokrat Lalajanz Lenin über die Verschwörung. Lenin antwortete: „Für mich, wie für die ganze Familie, war die Teilnahme meines Bruders an der Affäre 1. Mai eine totale Überraschung.“ [2]

Die Familie Uljanow war eng und ihre persönlichen Verhältnisse waren sehr warm. Gerade um sie zu verschonen, hielt Alexander sein politisches Engagement geheim. Er war ein äußerst feiner Mensch, wie seine Mutter. „Die gleiche seltene Verbindung“, schreibt Anna, „der außerordentlichen Entschlossenheit und Gelassenheit mit wunderbarer Sensibilität, Zärtlichkeit und Gerechtigkeit: Aber er war unbeugsamer und zielstrebiger, und noch mutiger.“

Wladimir, vier Jahre jünger als Alexander, hatte immer versucht, seinen nachzuahmen. Als er gefragt wurde, ob eine bestimmte Art Getreideflocken mit Butter oder mit Milch gegessen werden sollte, antwortete er: „Wie Sascha.“ Er wollte alles machen „wie Sascha“ – außer seiner Politik folgen. Als im Sommer 1886 Alexander Uljanow aus St. Petersburg zurückkehrte, um die Universitätsferien bei seiner Familie zu verbringen, brachte er mit sich mehrere Bücher über Ökonomie, einschließlich Marx’ Kapital. Laut Annas Erinnerungen [Memoiren] hatte Wladimir die Buche, die seinem Bruder gehörten, überhaupt nicht angeschaut, geschweige denn sie gelesen. Zu jenem Zeitpunkt, berichtet sie, zeigte er überhaupt kein Interesse für Politik. [3]

Die Hinrichtung Alexanders hätte nicht nur eine tiefe permanente Wirkung auf Wladimir haben müssen, sondern stellte ihn wahrscheinlich auch vor zwei Alternativen für sich: entweder in den Fußstapfen seines gemärtyrten Bruders zu treten und Volkstümler und Terrorist zu werden; oder vor der revolutionären Aktivität zurückzuschrecken. Für die stalinistischen Mythenmacher ist alles einfach – das Dilemma existiere überhaupt nicht. Die Geschichte lautet daß, nachdem er die Botschaft über die Hinrichtung seines Bruders bekommen habe, Wladimir ausgerufen habe: „Nein, wir werden nicht diesem Weg folgen. Das ist nicht der Weg, den ich verfolgen soll.“ [4]

Das soll die Reaktion eines jungen Mannes von siebzehn sein, der erst vor einigen Monaten mit der Religion gebrochen hatte, der noch nicht sogar den Namen Marx kannte, der kein einziges illegales Buch gelesen hatte und überhaupt nichts über die Geschichte der russischen revolutionären Bewegung kannte!

Sein Biograph Trotzki fragt ironisch, an wen Wladimir diese weisen Worte richtete. Offensichtlich nicht an seinen Vater, der vor einem Jahr gestorben war. Nicht an Alexander, der gerade am Schafott umgekommen war. Nicht an seine Schwester Anna, die im Gefängnis saß. Nicht an seine Mutter, die nach St. Petersburg gefahren war, um einen Minister nach dem anderen zu bitten, ihren Sohn zu retten. „Offensichtlich“ schreibt Trotzki, „vertraute seine Offenbarungen als Taktiker Dimitri, 13, und Maria, 9, an!“

Falls Lenin sich März [Mai] 1887 entschieden hätte, in den Fußstapfen seines Bruders zu treten, oder einen anderen Weg des revolutionären Kampfs zu nehmen, oder revolutionäre Politik überhaupt zu vermeiden, wäre sein Verhalten während der nächsten sechs Jahre unbegreiflich. Er beteiligte sich überhaupt nicht an politischen Aktivitäten: statt dessen studierte er.

Am Ende Juni 1887 zog die Familie Uljanow nach Kasan um. wo Lenin sein Jurastudium an der Universität anfing. Diese unternehmen wurde jedoch abgebrochen, als am 4. Dezember er an einer Studentendemonstration teilnahm und, obwohl er nicht eine wichtige Rolle gespielt hatte, wurde er nach einer Nacht im Polizeirevier von der Universität verwiesen und aus der Stadt Kasan ausgewiesen. Der Grund dafür war einfach: Er war der Bruder eines anderen Uljanows, und die ganze Familie zog nach Kokuschkino, etwa 50 Kilometer von Kasan entfernt, wo seine Mutter ein Landgut hatte.

Im Herbst 1888 durfte die ganze Familie Uljanow, außer Anna, die im März 1887 verhaftet worden war, als sie Alexanders Zimmer besucht hatte, wieder ihren Wohnsitz in Kasan aufnehmen. Jetzt trat Wladimir einem sozialistischen Zirkel bei, von dem sehr wenig bekannt ist. Er bestand aus einigen Studenten, die gute Bücher gemeinsam lasen und Ideen austauschten darüber, was sie gelesen hatten. Der wichtigste Zirkel in Kasan war der, der von N.E. Fedosejew geführt wurde, der schon damals ein Marxist war. Laut Maxim Gorki, der in jenen Jahren an der Wolga wohnte und sich in radikalen Kreisen bewegte, erklärte Fedosejew seine Unterstützung für Plechanows erste marxistische Schrift, Unsere Meinungsverschiedenheiten, so früh wie 1887. Die Fedosejew-Gruppe besaß eine kleine illegale Bibliothek und sogar eine Untergrundpresse. Wladimir kam während seines Aufenthalts in Kasan in Kontakt mit einigen der weniger wichtigen Mitglieder des Zirkeln.

Im Juli 1889 fanden weitverbreitete Verhaftungen in Kasan statt. Nicht nur Fedosejew und sein Zirkel wurden gefangengenommen, sondern auch Mitglieder des Zirkels, dem Wladimir angehörte. Er wurde jedoch glücklicherweise selbst nicht verhaftet, da die Familie Uljanow am 3. Mai aus der Stadt ausgezogen war ins Dorf Alakajewka bei Samara. Am 11. Oktober zogen sie wieder um in die Stadt Samara selbst. Hier blieb Wladimir bis ende August 1893, als er nach St. Petersburg umzog. Die Tatsache, daß Lenin gewillt war, vier Jahre in der aussichtslosen Stadt Samara zu verbringen, zeigt, daß er noch nicht bereit war, sich für aktive Politik zu engagieren, daß er immer noch studierte und überlegte, welche Richtung er nehmen sollte. Samara hatte fast keine Industrie, und war deshalb fast ohne eine industrielle Arbeiterklasse. Noch, anders als Kasan, hatte es eine Universität und folglich gab es keine Studenten. Daher gab es weder Arbeiter- noch studentische Unruhen in der Stadt.

Lenin brauchte diese Jahre, um sich zu entscheiden, ob er in Saschas Fußstapfen treten sollte, und wenn nicht, welchen Weg er nehmen sollte. Zweifellos wurde er als junger Mann von der Volkstümelei angezogen, egal was die stalinistischen Mythenmacher sagen. Einer seiner Kommilitonen, der mit Wladimir Dezember 1887 in Kasan verhaftet wurde, beschreibt, wie die meisten verhafteten Studenten spöttisches Geplänkel austauschten. Einmal wandte sich jemand zu Uljanow, der etwas zur Seite saß in seinen Gedanken versunken und fragte, was er nach seiner Freilassung vorhatte. Uljanow antwortete: „Was gibt es für mich zu überlegen? ... Mein Weg ist für mich von meinem älteren Bruder geebnet worden.“ [5]

In Samara suchte Lenin Veteranen des terroristischen Untergrunds aus und befragte sie ausführlich über ihre verschwörerischen Verfahren. So eignete er Wissen an, das er später bei der Organisierung der Bolschewistischen Partei benutzte. Bevor der stalinistische Mythenapparat mit der Arbeit anfing, wurde ziemlich viel Beweismaterial erbracht, das zeigte daß in seiner Jugend Lenin unter dem Einfluß der Volkstümler stand. Ein zeuge dafür war W.W. Adoratski, der künftige Leiter des Marx-Engels-Lenin-Instituts. Nach ihm erzählte Lenin ihm, 1905, daß er sehr von volkstümlerischen Ideen beeinflußt worden war. Er gab zu, daß 1888 er eine hohe Meinung von der terroristischen Volkstümlerbewegung gehabt hatte, und daß es eine lange Zeit gebraucht hatte, um sich von diesen Ideen zu befreien. „Während seiner letzten Jahre in Samara, 1892-93 war Lenin schon ein Marxist, obwohl er immer noch Merkmale behielt, die mit Narodnaja Wolja verbunden waren (z.B. eine besondere Haltung zum Terrorismus).“ [6]

Mehrere Jahre später schrieb Lenin in Was tun? (1902):

Viele von ihnen [russischen Sozialdemokraten] hatten als Narodowolzen revolutionär zu denken begonnen. Fast alle hatten in früher Jugend die Helden des Terrors begeistert verehrt. Die Befreiung von dem faszinierenden Eindruck dieser heroischen Tradition kostete Kampf, war begleitet von dem Bruch mit Menschen, die um jeden preis der Narodnaja Wolja treu bleiben wollten und die von den jungen Sozialdemokraten hoch geachtet wurden. [7]

Als Krupskaja diese Passage in ihren Erinnerungen zitierte, fügte sie hinzu, daß sie einen Teil der Autobiographie Lenins darstellte.

Der oben zitierte Lalajanz, der Lenin in Samara gut kannte, spürte März 1893 in ihm „bestimmte Sympathien für den Terror der Narodnaja Wolja“, und bemerkt, daß diese Neigung Konflikt zwischen den beiden verursachte. Als im Herbst 1893 Lenin versuchte, einem Zirkel von St. Petersburger Sozialdemokraten beizutreten, wurde er gründlich über die Frage des Terrorismus untersucht und für zu positiv dazu veranlaßt gefunden. [8]

Wladimir mußte eine lange gründliche Untersuchung machen, nicht nur deswegen, weil der Volkstümelei sehr tiefe Wurzeln hatte, sondern auch, wie wir später sehen werden, weil die Trennlinien zwischen der Volkstümelei und dem Marxismus für die radikale Jugend jener Zeit nicht klar definiert waren. Ein anderer Grund bestand darin, daß die Ideen des russischen Marxismus noch nicht Fleisch und Blut in einer aktiven Bewegung der industriellen Arbeiterklasse angenommen hatten. Sie waren immer noch das Vorrecht einiger weniger isolierter Intellektueller.

Wladimirs wichtigsten Lehrbücher waren die ersten zwei Bände des Kapitals. (Der 3. Band hatte noch nicht erschienen.) Er studierte diese mit äußerster Intensität während seines ganzen späteren Lebens und fand in ihnen Richtlinien für sein Denken und eine immer neue Quelle der Ideen. Er lernte, wie er es später ausdrückte, mit Marx zu „beraten“. Während der gleichen Periode studierte er den russischen radikalen Journalismus der 1860er und 1870er Jahre, so daß sein Wissen über die Volkstümlerbewegung sehr breit war. Er nutzte dieses Wissen in späteren Jahren in seinen Debatten mit den Volkstümlern und in seinen ersten Versuchen als Schriftsteller während der Jahre 1893-99 sehr gut aus. Wie er sich daran erinnerte, las er nie wieder in seinem Leben so viel wie während der Jahre 1888-93. [9]

Er machte auch eine ernste Untersuchung der statistischen Materialien über die russischen Nationalwirtschaft und schrieb seine ersten unabhängigen Einzeldarstellungen, die sich darauf zielten, Licht auf die ökonomische und gesellschaftliche Szene Rußlands zu werfen. Aus den Akten der Samaraer Bibliothek für 1893, ein Jahr für die sie zufällig konserviert wurden, läßt sich sehen, daß Wladimir keine relevante Veröffentlichungen verpaßte, ob offizielle statistische Zusammenfassungen oder ökonomische Studien von den Volkstümlern. [10]

Lenin brauchte Jahre des Studiums, um sich in bezug auf [über] die Volkstümelei und den Marxismus zu entscheiden. Die Tragödie seines Bruders traf ihn zu tief, um eine rasche Entscheidung zu erlauben. Er fing mit dem Studium von Marx’ Kapital irgendwann im Jahre 1889. Das an sich bedeutet nicht, daß er entschieden hatte, der Volkstümelei seinen Rücken zu kehren. Wie wir sehen werden, studierten die Volkstümler Marx. Es scheint, daß er erst 1891 Plechanows Werke kennenlernte, „ohne die man nicht zur Sozialdemokratie kommen konnte“, wie Trotzki zurecht sagt. [11] Als er einen Fragebogen 1920 antwortete, machte Lenin deutlich, daß er seit 1893 Mitglied der KPR (also vor der Gründung der SDAPR) war. [12] 1921 antwortete er einen anderen Fragebogen darüber, wann er seine Teilnahme an der revolutionären Bewegung anfing, und schrieb: „1892-93.“ [13]

Die stalinistische Legende [der stalinistische Mythos], die [der] beschreibt, wie der junge Wladimir sich über den richtigen Weg entschied, sofort nachdem er vom Schicksal seines Bruders gehört hatte, ist nicht bloß psychologisch dumm, sondern ist auch eine Beleidigung der intellektuellen und emotionellen Redlichkeit Lenins. In dieser Legende [diesem Mythos] erscheint er als Mißgeburt – rigide, trocken, tot, zur Änderung unfähig.

Seine lange Untersuchung des Volkstümelei war notwendig, so daß er die Tragödie seines Bruders vermeiden könnte, der am Vorabend der Verschwörung immer noch Zweifel hatte, ob er den richtigen Weg gewählt hatte.

In der letzten Woche des Jahres [1886] argumentierte er [Sascha] immer noch gegen die Verschwörung, indem er sagte, daß sie absurd, sogar selbstmörderisch, sei, sich an irgendeiner politischen Aktivität zu beteiligen, bevor man die Prinzipien geklärt habe, auf denen sie beruhen sollte. Er sprühte das Bedürfnis nach mehr theoretischen Arbeit und nach einer genaueren Definition der Ziele und Mittel ... Aber sie antworteten seine Skrupel mit einem treffenden Vorwurf: Werden wir mit verschränkten Armen zurücklehnen, während unsere Kollegen und Freunde schikaniert werden und während die gesamte Nation unterdrückt und gelähmt wird? Sich jetzt mit der Ausarbeitung theoretischer Prinzipien zu beschäftigen, sagte sie, würde auf die Kapitulation hinauslaufen. Jeder Banause [Spießer/Philister] kann theoretisieren – der Revolutionär muß kämpfen. Das war natürlich die Stimme der Unerfahrenheit und der Ungeduld, die Stimme der Jugend. Alexanders Sinn für revolutionäre Ehre war dazu empfindlich und gegen sein besseres Wissen gab er nach: Nein, er würde nicht mit verschränkten Armen zurücklehnen. [14]

Die Vorstellungen jedes Zeitalters sind eng mit denen der vorhergehenden verbunden. Lenins Geisteszustand in 1887 läßt sich nicht verstehen, ohne die Ideen seines älteren Bruders zu berücksichtigen. Seine intellektuelle Entwicklung muß man als etwas betrachten, das aus der volkstümlerische Erbe fließt und mit ihr verwandt ist. Um sich mit der Volkstümelei auseinanderzusetzen und seine Haltung dazu zu entscheiden, konnte Lenin, wie jeder ernsthafte Wissenschaftler, sich nicht auf die Meinungen von anderen verlassen, sondern mußte selber das Thema aus erster Hand untersuchen.

Tatsächlich brauchte er eine viel längere Periode des Studiums als die nächste Generation der russischen Marxisten wie Trotzki. Erstens hatte Trotzki selbstverständlich nicht die traumatische Erfahrung gehabt, daß sein Bruder wegen volkstümlerischen Terrorismus hingerichtet worden war. Zweitens, da er neun Jahre jünger war als Lenin, kam er viel später in Kontakt mit der revolutionären Politik in 1896, als Marxisten sich schon praktisch an Streiks, auch Massenstreiks, von Arbeitern beteiligten. Das war 1887 nicht der Fall, all die marxistische Bewegung fast ausschließlich aus vier oder fünf Emigranten bestand, mit einer Handvoll Studenten, die sei hier und da unterstützten. Aber auch Trotzki mußte sich mit volkstümlerischen Ideen auseinandersetzen. Die erste Gruppe, der er in Nikolajew beitrat, bestand aus Menschen, die sich als Volkstümler betrachteten. Sie hatten eine sehr verschwommene Vorstellung des Marxismus. Nur ein Mitglied des Zirkels, eine junge Frau namens Alexandra Sokolowskaja, selbst Tochter eines Volkstümlers, behauptete Marxistin zu sein. Es brauchte Monate der Auseinandersetzung im Zirkel, bevor Trotzki, der am Anfang die Volkstümler unterstützte, von Alexandra Sokolowskaja zum Marxismus bekehrt wurde. (Später heiratete er sie und sie hatten zwei Kinder; das Schicksal aller drei war tragisch mit dem Trotzkis verbunden.)

Es ist schwierig zu verstehen, warum Wladimir Iljitsch Uljanow, diese ernsthafter und – wie die Zukunft zeigen sollte –aktiver Mann, jedes politische Engagement für fünf oder sechs Jahre vermied. Um zu erklären, warum Lenin wartete, müssen wir die Natur der Volkstümelei , die Wechselwirkung zwischen ihren Ideen und denen des Marxismus und die tiefen Leidenschaften begreifen, die das Heldentum der Volkstümler in den Herzen der jungen Radikalen jener Zeit erweckten. Man muß auch die ideologische Alternative zur Volkstümelei verstehen, die zu jener Zeit von Plechanow, dem Vater des russischen Marxismus, entwickelt wurde. Letztens wird das Engagement von Individuen – in unserem Fall, von Lenin – nicht nur durch die reine Vernunft beeinflußt, sondern auch durch die Wechselwirkung von Ideen und Aktionen. Daher müssen wir die wirkliche Lage der Arbeiterbewegung damals begreifen – wieviele Streiks stattfanden, ob die Marxisten oder die Volkstümler einen Einfluß auf sie ausübte usw. Um ausreichend das alle zu behandeln, würde viel mehr Platz erfordern, als zu unserer Verfügung steht. Ohne ein Verständnis der intellektuellen und politischen Kämpfe der Periode ist jedoch Lenins Entwicklung nicht begreiflich. Seien Wurzeln lagen tief in der russischen revolutionären Tradition der vorhergehenden zwei Generationen der Volkstümlerbewegung, einer Tradition, die für ihn im Märtyrertod Alexanders ihren Höhepunkt erreichte. Ein Ausflug [Exkurs] in die Volkstümelei und den russischen Marxismus ist deshalb unvermeidlich. Die persönliche Entwicklung Wladimirs ist eng mit der Entwicklung der russischen revolutionären Intelligenz und der dünnen Schicht der revolutionären Arbeiter verbunden. Seine politische Biographie fließt mit der Geschichte der Bewegung zusammen.

 

 

Die Volkstümler

Die Volkstümelei war eine radikale Bewegung, die Mitte des 19. Jahrhunderts anfing. Sie war zur Zeit des Krimkrieges und der Abschaffung der Leibeigenschaft (1861) geboren, gewann Einfluß und Ruhm während der 1860er und 1870er Jahre und erreichte ihren Höhepunkt 1881 mit dem Mord an Alexander II. und danach ging sie rasch zurück. Sie erstand aber mehr als einmal wieder aus ihrer Asche auf.

Die Grundlagen der Bewegung waren in den 1850er und 1860er Jahren von Herzen gelegt. Er glaubte vor allem, daß die Bauernschaft in Rußland die Grundlage für den Sozialismus sein würde. „Die Zukunft in Rußland gehört dem Bauern, ebenso wie in Frankreich sie den Arbeitenden gehört“, schrieb Herzen 1851 an den französischen Historiker Michelet.

Er glaubte, daß die kollektiveigene Kommune – die obschtschina –, die in Rußland überlebt hatte, die Grundlage des Sozialismus bilden würde, eher als die staatseigene Fabrik. Die kapitalistische Entwicklung könnte in Rußland vermieden werden, argumentierte Herzen. Er schrieb an Mazzini: „Ich glaube, es kann keine Revolution in Rußland gegen außer einem Bauernkrieg“, und der wies auf Emeljan Pugatschew, den Führer des Bauernkriegs von 1773-75, hin. Diese Revolution sollte „dem eiskalten [gletscherähnlichen] Petersburger Despotismus“ einen Schlag versetzen. Sie würde den Staat vernichten. Sie würde die periodische Umverteilung des Landes behalten, die im dörflichen Rußland traditionell war, und dadurch gegen die Bildung eines Proletariats und die Hunger versichern. Sie würde die innere Selbstverwaltung entwickeln. „Warum soll Rußland jetzt seine ländliche Kommune verlieren, das sie durch die ganze Periode seiner politischen Entwicklung konserviert worden ist, da sie unter dem gewichtigen Joch des moskowitischen Zarismus wie auch unter der Autokratie der Kaiser nach der europäischen Art unversehrt gehalten worden ist?“

Aber war Rußland fähig dazu, eine solche Revolution zu erringen? Zwei Faktoren ermutigten eine bejahende Antwort auf seine Frage: die Stärke des russischen Bauern, der trotz einer Reihe Despotismen seine Menschlichkeit behalten hatte, zusammen mit einem Gefühl der Unabhängigkeit und der großen Entfernung von der Autorität; und vor allem das geistige und intellektuelle Leben des modernen Rußlands. [15] Was notwendig sei, argumentierte Herzen, seine Revolutionäre, die sich dem Volk widmen würden. In nehme Appell die er 1861 an Studenten schrieb, sagte er: „Ans Volk! ... Das ist Eure Stelle ... Beweist, daß aus Euch nicht Schreibkräfte, sondern Soldaten des russischen Volkes kommen werden.“

N.G. Tschernyschewski kam zu extremeren Schlußfolgerungen als Herzen. Der Historiker der Volkstümlerbewegung, Franco Venturi, hat das Verhältnis zwischen Herzen und Tschernyschewski in folgender Weise beschrieben: „Herzen schuf die Volkstümelei; Tschernyschewski war ihr Politiker. Er lieferte der Volkstümelei mit ihrem stichhaltigsten Inhalt, und gab ihr nicht nur Ideen, sondern inspirierte ihre wichtigste Vorgehensweise [Hauptvorgehensweise] durch seine brillanten Werbeaktivitäten, die er zwischen 1853 und 1862 unternahm.“ [16]

In Juli 1848 schrieb Tschernyschewski schrieb Tschernyschewski in seinem Tagebuch, daß er „immer mehr von den Ideen der Sozialisten überzeugt werde“. Schon fühlte er das Bedürfnis, diese Überzeugungen in Russisch zu übersetzen. Was würden die Wörter „Revolution“ und „Sozialismus“ in seinem eigenen Land bedeuten? Er antwortete, daß die einzige Hoffnung in einem Bauernaufstand liege. „Die einzige Sache, die fehlt, ist Einheit zwischen den verschiedenen lokalen Aufstanden.“ [17] Ein Brief an Herzen, dessen Autorschaft anonym ist, die aber sicher die Ansichten von Tschernyschewski und seinem Freund, N.A. Dobroljubow, ausdrückte, wartete mit dem Aufruf zum Bauernaufstand auf.

Sie sind offensichtlich falsch über die Situation in Rußland. Liberale Landbesitzer, liberale Professoren, liberale Schriftsteller lullen Sie mit Hoffnungen in der fortschrittlichen Zielen unserer Regierung ein ... Sie müssen nicht für einen einzigen Augenblick vergessen, daß Alexander II. seine Zähne zeigen wird, wie Nicholas I. seine zeigte. Lassen sie sich nicht durch Schwatz über unseren Fortschritt einwickeln. Wir sind genau da, wo wir früher waren ... Lassen Sie sich nicht durch Hoffnung einwickeln, und wickeln sie nicht andere ein ... Nein, unsere Position ist schrecklich, unerträglich, und nur die Äxte der Bauern können uns retten. Nichts außer diesen Äxten sind von Nutzen. Ihnen wurde das schon erzählt, anscheinend, und es stimmt außerordentlich. Es gibt keiner andere Mittel der Rettung. Sie machte alles Mögliche, um einer friedlichen Lösung des Problems zu helfen, aber jetzt schlagen Sie einen anderen Ton an. Lassen sie ihre „Glocke“ tönen, nicht zum Gebet, sondern zum Angriff. Rufen Sie Rußland zur Waffe. [18]

Tschernyschewski, wie Herzen, sah in der obschtschina die Grundlage des Sozialismus. aber er idealisierte nicht diese Einrichtung, die aus patriarchalischen Zeiten geerbt worden war. sie müßte durch den westlichen Sozialismus wiederbelebt und umgewandelt werden. Für Tschernyschewski war der Hauptfeind nicht der Kapitalismus, sondern die Rückständigkeit Rußlands – „asiatische Lebenszustände, asiatische Gesellschaftsstruktur, asiatische Ordnung“ – und sein vorrangiges Ziel war der Sturz des zaristischen politischen Regimes.

1860 wurde in St. Petersburg eine klein Untergrundorganisation gegründet, die als „Junges Rußland“ bekannt war. Ihr unmittelbares Ziel war „eine blutige und unversöhnliche [erbarmungslose] Revolution, die radikal die ganze Grundlage der zeitgenössischen Gesellschaft ändern wird“, und ihre Inspiration war Tschernyschewski. 1862 wurde Tschernyschewski verhaftet und er verbrachte mehr als achtzehn Monate in der Peter-Pauls-Festung. Dann wurde er zu Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt, wo er bis 1883 blieb. Es wurde ihm dann erlaubt, in Astrachan zu wohnen, und schließlich einige Monate vor seinem Tod, zurück zu seiner Heimatstadt Saratow zurückzukehren.

1862–63 wurde Semlja i Wolja (Land und Freiheit) gegründet. Diese war eine Lose Sammlung von Gruppen, die hauptsächlich aus Studenten bestanden. Der leitende Geist der Bewegung, auch nach seiner Verhaftung, blieb Tschernyschewski. ein Ergebnis der Bildung von Semlja i Wolja war ein Aufstieg der Zahl von terroristischen taten gegen die Autokratie. Am 4. April 1866 versuchte der Student Dimitri Karakosow ein Attentat auf den Zaren. Er scheiterte und wurde hingerichtet, aber seine Tat war der Erste Akt in einem revolutionären Drama, das mit dem Sturz des Zarismus etwa 50 Jahre später endete.

Die 1860er Jahre, die am 19. Februar mit der Befreiung der Leibeigenen eröffneten, schlossen mit der Einzelhaft von Netschajew, einer der großen Persönlichkeiten im Olymp der Volkstümelei, in der Peter-Pauls-Festung. Er hatte versucht, eine eng konspirative Gesellschaft namens „Volksrache“ zu gründen, die sich darauf zielte, eine Bauernaufstand zu führen. Sie scheiterte und kein Aufstand fand statt, aber Netschajew Anstrengungen wurden mit Einzelhaft im Gefängnis belohnt.

Eine zweite Welle der revolutionären Bewegung eröffnete sich am Anfang der 1870er Jahre mit einem vollständigen Umschwung weg von den verschwörerischen Methoden Netschajews (geholfen durch Abscheu gegen Netschajews Organisation des Mords an einem seiner eigenen Mitarbeiter). Statt dessen gab es ein Massenpilgern der intellektuellen auf das Land, um die Bauernschaft zu bekehren. Wie weit die Bewegung verbreitet war, läßt sich von der Tatsache messen, daß im Jahr 1874 vier Tausend Menschen von der Polizei verhaftet, verhört oder mindestens schikaniert wurden. [19]

In jener Periode in 1874, „den wahnsinnigen Sommer“ benannt, verließen Hunderttausende junge Männer und Frauen

ihre Elternhäuser, ihre Reichtümer, Privilegien und Familien. Sie warfen sich in die Bewegung mit einer Freude, einer Begeisterung, einem Glauben, die man nur einmal im Leben fühlen und die, wenn einmal verloren, nie wieder finden kann. Sie war noch nicht eine politische Bewegung. Eher wahr sie eine religiöse Bewegung mit dem ganzen ansteckenden Wesen solcher Bewegungen. Die Menschen versuchten, nicht bloß ein bestimmtes praktisches Ziel zu erreichen, sondern auch eine tief gespürte Pflicht, eine Aspiration nach moralischer Vervollkommnung zu befriedigen. [20]

Der russische Bauer bewies sich als weniger anfällig für revolutionäre Ideen, als die revolutionären Intellektuellen sich glauben ließen. Sie fanden es schwierig, mit den Bauern zu kommunizieren, und die Bauern waren ihnen gegenüber sehr mißtrauisch. Sie wurden oft von gerade den Menschen, die sie dienen wollten, der Polizei übergeben.

Die Volkstümlerbewegung bekam jetzt praktische Erfahrung und als Ergebnis davon mußten neue Politiken entworfen werden. Falls die Bauern nicht zu handeln bereit waren, mußten die Revolutionäre allein handeln. Einer der neuen Führer P.M. Tkatschew sprach in einer Schrift, die er einige Jahre später in 1879 verfaßte, vom „völligen Fiasko“ des Gangs ins Volk, und fügte stolz hinzu:

Wir waren die Ersten, die auf die Unvermeidlichkeit dieses Fiaskos hinwiesen; wir waren die Ersten ..., die die Jugend anflehten, jenen verhängnisvollen antirevolutionären Weg aufzugeben und wieder einmal zu den Traditionen der unmittelbaren revolutionären Arbeit und einer kämpfenden zentralisierten revolutionären Organisation [d.h. zu den Traditionen der Netschajew-Tendenz] zurückzukehren. Und unsere war nicht eine Stimme, die in der Wüste predigte ... die Kampforganisation der revolutionären Kräfte, die Desorganisation [das Durcheinanderbringen] und die Terrorisierung die Regierungsbehörden, diese sind von Anfang an die grundsätzlichen Forderungen unseres Programms gewesen. Und zur Zeit werden endlich diese Forderungen in die Praxis umgesetzt ..., zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht unsere einzige Aufgabe darin, die Regierungsbehörde zu terrorisieren und durcheinander zu bringen. [21]

Nach dem Gang ins Volk schlug das Pendel zurück nach dem Terrorismus aus. Am 24. 1878 schoß ein einziges junges Mädchen, Vera Sassulitsch, den St. Petersburger Polizeipräsidenten, General Trepow, an, der vor kurzem einen Gefangenen, Bogoljubow, der Prügelstrafe unterworfen hatte. In Mai wurde der Chef der Gendarmerie in Kiew in einem Attentat ermordet. Im August 1879 tötete Krawtschinski den Chef der russischen Gendarmerie. Anders als Vera Sassulitsch war Krawtschinski nicht allein. Er war Mitglied von Semlja i Wolja, die bislang eine sehr gut organisierte und disziplinierte Gruppe war.

Am 2. April 1879, nachdem er persönlich der Semlja i Wolja von seiner Absicht, den Zaren zu töten, informiert hatte, versuchte Alexander Solowjew ohne die Unterstützung der Organisation, seine Absicht durchzuführen, und scheiterte. Einige Wochen später bildete sich eine aktive terroristische Organisation, „Tod oder Freiheit“, innerhalb der Semlja i Wolja. Am 1. März 1881 ermordete sie erfolgreich den Zaren.

Aber die Hoffnungen der Revolutionären wurden bitter enttäuscht. Ihre Tat führte nicht zu einem Volksaufstand, sondern zu einer Verstärkung der Autokratie [Selbstherrschaft] und zur Unterdrückung aller revolutionären Aktivitäten für mehrere Jahre. Der übermenschliche Mut und die innere moralische Stärke der Terroristen genügte nicht, um den Zarismus zu stürzen.

 

 

Die Volkstümler „passen“ sich den Marxismus an

Um die Entwicklung des russischen Marxismus zu verstehen, muß man zuerst die Haltung der Volkstümler ihm gegenüber begreifen. In 1848 und jahrelang danach konnte man die Werke von Marx und Engels legal ins Rußland importieren, weil, laut dem Zensor, sie „eine abstrakte Spekulation“ bildeten, die Beine Relevanz für Rußland hätten. [22] 1872 wurde der erste Band des Marx’schen Kapitals auf Russisch veröffentlicht (viele Jahre vor seiner Veröffentlichung auf Französisch bzw. englisch). Er verkaufte sofort 3.000 Exemplare. Der Vorstand der Narodnaja Wolja schrieb 1880 an Marx: „Bürger! Die intellektuelle und Fortschrittliche Klasse in Rußland ... hat mit Begeisterung auf die Veröffentlichung Ihrer gelehrten Werke reagiert. sie erkennen wissenschaftlich die besten Prinzipien des russischen Lebens.“

Marx Beschreibung der Greueltaten der Urakkumulation des Kapitals und der Industriellen Revolution in England, seine Darlegung der Mehrwerttheorie, sein Angriff auf die kapitalistische Arbeitsteilung und die Entfremdung, seine Kritik an der „formellen“ bürgerlich-parlamentarischen Demokratie wurden von den Volkstümlern so interpretiert, daß sie bewiesen, daß jede Anstrengung unternommen werden sollte, um die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland zu verhindern. „Nachdem er von Marx über den hohen Preis der kapitalistischen Entwicklung gelernt hatte, lehnte er [der Volkstümler – T.C.] ab, diesen Preis zu bezahlen und setzte seine Hoffnungen auf die angebliche Möglichkeit, die archaischen Formen des Gesellschaftsleben wiederherzustellen und sie den neuen Bedingungen anzupassen.“ [23]

Die Tatsache, daß für Marx der Kapitalismus im Vergleich mit dem Feudalismus fortschrittlich sei, daß die parlamentarische Demokratie, egal wie formell und beschränkt, ein Schritt nach vorne sei im Vergleich mit der Autokratie [Selbstherrschaft] – das konnten die Volkstümler nicht begreifen. Durch die Anwendung ihres Wissens über Marx’ Kapital schrieben Ökonomen der Volkstümler Bücher, die die Möglichkeit und die Notwendigkeit der nichtkapitalistischen Entwicklung in Rußland. Der schöpferischste dieser Ökonomen war W.P. Worontsow, der das Pseudonym W.W. benutzte. In seinem Buch, Das Schicksal des Kapitalismus in Rußland (1882) argumentierte er, daß der russische Kapitalismus als Zuspätkommender nicht Märkte für seine Produkte im Ausland finden könne. Gleichzeitig dehnten sich seine internen Märkte nicht aus, sondern zusammenschrumpften, weil der Kapitalismus die Bauern ruiniere und ihre Kaufkraft reduziere. Der Kapitalismus könne nicht über die Schaffung kleiner Inseln der modernen Industrie hinausgehen, die notwendig seien, um die Bedürfnisse der oberen Schichten zu befriedigen. Er könne sich intensiv durch die Ausbeutung der Arbeitskraft [Arbeit], aber nicht extensiv durch die Steigerung der Beschäftigung ausdehnen. Er könne Millionen Bauern und Handwerker ruinieren, könne ihnen aber keine Beschäftigung geben noch sie in die „vergesellschaftende [sozialisierende] Produktion“ integrieren. In den rückständigen Ländern im allgemeinen könne er nur zerstörerisch sein – eine „Parodie des Kapitalismus“, ein „uneheliches Kind der Geschichte“. Insofern, daß Inseln des Kapitalismus in Rußland existierten, seien sie das künstliche Produkt der Anstrengungen des Staates.

Während sie den Marxismus anpaßten, waren die Volkstümler im Grunde genommen utopische Sozialisten. Sie betrachteten die russischen Massen als träge, während sie selbst den Sozialismus für ein bestrebenswertes Ideal hielten, und machten deshalb keine kausale Verbindung zwischen den Massen der Gegenwart und der Zukunft. N.K. Michailowski, einer der Theoretiker der Volkstümlerbewegung, druckte diesen Dualismus aus, indem der von zwei Arten Wahrheit sprach – der „Wahrheit der Wahrheit [?], d.h. das, was wirklich besteht, und der „Wahrheit der Gerechtigkeit“, d.h. das, was sein sollte. Die „Welt des Sollens, die Welt des Wahren und des Gerechten“, hatte keine Verbindung mit dem objektiven Verlauf der historischen Entwicklung. Marx Beschreibung der wichtigsten Merkmale der Anschauung der utopischen Sozialisten seiner Zeit faßt den Volkstümlern gut. Ihre Hauptmangel, argumentiert das Kommunistische Manifest, sei wegen der Tatsache, daß „sie auf der Seite des Proletariats keine geschichtliche Selbsttätigkeit, keine ihm eigentümliche politische Bewegung erblicken“, daß sie noch nicht den Standpunkt des Klassenkampfes angenommen hätten und daß das Proletariat nur für sie als „leidendste Klasse“ existiere. [24] Man muß bloß das Wort „Proletariat“ durch das Wort „Bauernschaft“ ersetzen, so daß diese Beschreibung den russischen Populisten [Volkstümler] perfekt paßt. Aus ihrer utopischen Position entstand ihre elitäre Auffassung der Rolle der Intelligenz – des Machers der Geschichte, dessen Aufgabe darin bestehe, die trägen, unwissenden Massen zu gestalten.

Ebenso wie Völker auf verschiedenen Stufen der ökonomischen Entwicklung sich zu ein und derselben Religion bekennen können, wobei jedes Volk ihr einen anderen Inhalt geben, so unterschied sich der von der volkstümlerische Intelligenz benutzte Marxismus vom Marxismus der Arbeiterbewegung. Die groteske Kombination des „Marxismus“ und der Volkstümelei wurde vom alternden Engels in einem Brief vom 26. Februar 1895 erklärt:

in einem Land wie dem Ihrigen, wo die moderne Großindustrie auf die ursprüngliche Bauerngemeinde aufgepfropft ist und alle Zwischenphasen der Gesellschaft nebeneinander bestehen, in einem Lande, das außerdem wohin einer mehr oder weniger wirksamen geistigen chinesischen Mauer umgeben ist, die der Despotismus errichtet hat, in einem solchen Lande darf man sich nicht Wundern, wenn dort sie seltsamsten und unmöglichsten Ideenverbindungen entstehen. [25]

Man muß sich mit all Walicki, dem Autor einer wichtigen Studie der sozialen Philosophie der Populisten, übereinstimmen, wenn er schreibt, der Populismus [die Volkstümlerbewegung]

war eine russische Reaktion auf dem westlichen Kapitalismus und auch eine russische Antwort auf dem westlichen Sozialismus – eine Reaktion auf dem westlichen Kapitalismus und dem westlichen Sozialismus durch eine demokratische Intelligenz in einem rückständigen bäuerlichen Land bei einer frühen Stufe der kapitalistischen Entwicklung. Und es ist ganz verständlich, daß der klassische russische Populismus vor allem eine Reaktion auf dem Marxismus war – schließlich war Marx bis dann die führende Persönlichkeit des europäischen Sozialismus und gleichzeitig der Autor des maßgebenden Buches über die Entwicklung des Kapitalismus. Es ist keineswegs Zufall, daß der Anfang des vollentwickelten klassischen Populismus zeitmäßig mit der ersten Welle der Verbreitung der marxistischen Ideen in Rußland zusammenfiel ... Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, daß die Begegnung mit Marx von höchster Wichtigkeit für die Bildung der populistischen Ideologie war, daß ohne Marx sie ganz anders gewesen wäre. [26]

Ohne ein Verständnis von den intimen Verhältnissen zwischen der Volkstümelei und dem Marxismus kann man nicht die großen Schwierigkeiten begreifen, vor denen russische Marxisten auf ihrem Weg nach vorne von der Volkstümelei standen, Hindernisse, deren Überwindung Plechanow, dem Vater des russischen Marxismus, Jahre kostete und die wieder im weg seines Anhängers, Wladimir Iljitsch Uljanow, erschienen.

 

 

Die Heldenhaftigkeit [das Heldentum] der Volkstümler

Unser skizzenhafter Überblick über die Ideen der Volkstümler während der 1860er und 1880er Jahre ist weit davon entfernt, ein genaues Bild des Wesens der Volkstümlerbewegung zu geben. Ihre Ideen hielten sie mit außerordentlichen Leidenschaft, die ihnen den moralischen Mut und die Entschlossenheit verlieh, um viele Arten Gefahr und Leiden ins Auge zu sehen [durchzustehen]. Sie gingen hundertweise in Einzelhaft in der Peter-Pauls-Festung, nach Sibirien, sogar zum Galgen.

Man kann keinen besseren zeugen der Heldenhaftigkeit [des Heldentums] der Volkstümler finden als den amerikanischen Schriftsteller George Kennan, der anfänglich ihr Gegner war. Da Kennan 1882 öffentlich die Terroristen verurteilt hatte, erlaubten die russischen Behörden ihn bereitwillig, nach Rußland zu kommen und Gefängnisse und Arbeitslager zu besuchen, in der Hoffnung, daß seine negative Haltung zu den russischen Revolutionären dabei helfen würde, die weltweite öffentliche Meinung auf die Seite der russischen Regierung anziehen würde. Aber nachdem er die Jahre 1884-86 in Sibirien verbracht hatte, hatte Kennan folgendes zu sagen (in einem Brief, den Mrs. Dawes in der amerikanischen Zeitschrift The Century in der Ausgabe August 1888 zitierte): “Was ich in Sibirien sah und lernte, berührte mich im tiefsten Inneren meiner Seele – eröffnete mich zu einer neuen Welt der menschlichen Erfahrung und erhöhte in manchen Hinsichten meine ganzen moralischen Maßstäbe.“

Ich lernte Persönlichkeiten kennen, die wirklich heldenhaft in ihrer Prägung waren – Persönlichkeiten, deren Art ebenso hoch waren, wie jeder, der in der Geschichte skizziert wurde, und ich sah sie, als sie Mut, innere Stärke, Selbstaufopferung und Hingabe an ein Ideal zeigten, die über alles hinausging, was ich von mir selbst vorstellen konnte ... Ich fuhr nach Sibirien mit der Haltung, daß die politischen Exilanten eine Truppe von geistig gestörten Fanatikern, Bombenwerfern und Attentätern seien. Als ich aus Sibirien zurückkam küßte ich dieselben Männer zum Abschied mit den Armen umschlungen und Tränen in meinen Augen. [27]

Die 1880er Jahre waren Jahre der schrecklichen Reaktion. Nach dem Mord an Alexander II. war das Land wie ein Friedhof. Es gab kaum weiteren Widerstand. 1883 wurde Vera Figner, eine der ausgezeichnetsten Persönlichkeiten im Vorstand der Narodnaja Wolja, verhaftet. Im folgenden Jahr kehrte G.A. Lopatin, der im Ausland enge Kontakte mit Marx und Engels gepflegt hatte, nach Petersburg zurück, wurde aber bald verhaftet. Bei seiner Verhaftung fielen zahlreiche Adressen in die Hände der Polizei, was zur Liquidation der Überreste der Narodnaja Wolja führte.

Die Letzte Ausgabe der Zeitschrift Narodnaja Wolja, die am 1. Oktober 1885 erschien, als die Partei selbst nicht mehr existierte, malte ein düsteren Farben die Moral der Intellektuellen:

#8222;Der Vollendetste geistige Zerfall, ein Chaos der allerverschiedensten Meinungen in den elementarsten Fragen des gesellschaftlichen Lebens ..., persönlicher und gesellschaftlicher Pessimismus einerseits, religiös-sozialer Mystizismus andererseits ... Das Renegatentum aller Art trat in breitem Strom aus den Ufern. Die solideren Schichten der Intelligenz erklärten offen, daß ihnen der Muschik zum Hals heraushänge: höchstr Zeit, für sich selbst zu leben! Die farblos gewordenen radikalen und liberalen Zeitschriften lrgten Zeugnis ab vom Tiefstand der gesellschaftlichen Interessen. [28]

Eine Andere Beschreibung kommt vom Stift Rosa Luxemburgs, die während ihres Gefängnisaufenthaltes während des Ersten Weltkriegs schrieb:

Nach dem Attentat auf Alexander II. war über Rußland eine Periode starrster Hoffnungslosigkeit hereingebrochen ... Friedhofsruhe herrschte unter den Bleidächern der Regierung Alexanders III. Der russischen Gesellschaft, die durch das Scheitern aller Hoffnungen auf friedliche Reformen wie auf durch die anscheinende Wirkungslosigkeit der revolutionären gleichermaßen entmutigt war, bemächtigte sich eine gedrückte, resignierte Stimmung. [29]

Charakteristisch von der [typisch für die] Zeit war die Flucht eines der wichtigsten Führer der Volkstümler, Elf Lichomirows, der in Westeuropa ein Geständnis mit dem Titel: Warum ich aufhörte, ein Revolutionäre zu sein, veröffentlichte. (Bald danach wurde er zu einem der stärksten Anhänger des Zarismus.) Große Zahlen von anderen ehemaligen Revolutionären fanden ihren Propheten in Leo Tolstoi, der, während er die Abscheulichkeit des Zarismus ablehnte, die Lehre der Gewaltlosigkeit predigte. Tolstois Lehre lieferte anscheinend moralische Unterstützung für die desillusionierte und passive Intelligenz.

Aber innerhalb der allgemeinen Flut der Reaktion gab es kleine Wirbel. Der wichtigste davon war das Komplott, in dem Alexander Uljanow eine zentrale Rolle spielte. Sechs Menschen nahmen daran teil. Drei von ihnen, einschließlich Uljanow, betrachteten sich als Anhänger der Narodnaja Wolja, drei andere nannten sich Sozialdemokraten. Die Unterscheidung zwischen ersteren und letzteren war überhaupt nicht deutlich.

Alexander selbst hatte Marx eifrig gelesen, aber er war immer noch Volkstümler, wie vom Programm deutlich ist, das er für die Gruppe schrieb: Programm der terroristischen Fraktion der Partei Narodnaja Wolja. Er betrachtete die revolutionäre Hauptkraft nicht in der Bauernschaft, sondern in der industriellen Arbeiterklasse. Des Sozialismus sei „ein notwendiges Ergebnis der kapitalistischen Produktion und der kapitalistischen Klassenstruktur“. [30] Das, argumentierte jedoch das Programm, schließe nicht „die Möglichkeit [aus], daß es besondere günstige Bedingungen in den Gewohnheiten des Volks und im Charakter der Intelligenz und der Regierung gibt“.

Der Kapitalismus sei nippt eine notwendige Etappe vor dem Sozialismus. Der Kapitalismus sei notwendig nur da, wo „der Übergangsprozeß zur spontanen Entwicklung überlassen wird, wenn es keine spontane Intervention seitens einer gesellschaftlichen Gruppe gibt“. Da Programm erkannte die Notwendigkeit an, „die Arbeiterklasse zu organisieren und auszubilden“, aber diese Aufgabe müsse man vertagen, da revolutionäre Aktivität unter den Massen „unter den bestehenden politischen Umständen fast unmöglich ist“. Die Autokratie müsse durch Terror gestürzt werden, so daß die Arbeiterklasse auf die politische Bühne treten könne.

Dieser seltsame Eklektizismus war ein Versuch, die Volkstümelei und Den Marxismus zu kombinieren. Wie oben erwähnt, brauchte Alexander Zeit, um seine Gedanken zu klären. Das bekam er nicht. Lenin erklärte Lalajanz 1893, daß Alexander „sich als Marxisten betrachtete“. Das war natürlich eine Übertreibung. Alexanders Tragödie bestand darin, das er ein Man des Übergangs in einer Zeit des Übergangs war. In seinem Werk über das russische soziale Denken sagt Iwanow-Rasumnik in einer Beschreibung des Übergangscharakters der 1880er Jahre: „Vor ihnen stand der Narodnitschestwo, nach ihnen stand der Marxismus, selbst vertraten sie eine ideologische Leere.“ [31]

 

 

Plechanow bricht mit Semlja i Wolja

Als Ergebnis des Zickzackkurses ihres Schicksals gab es ein Tauziehen innerhalb Semlja i Wolja während der Jahre 1878-79 zwischen den Anhängern der Massenagitation – des Gangs ins Volk – und den Anhänger des Terrorismus. Der Hauptbefürworter der ersten Tendenz war Georgi Walentinowitsch Plechanow.

Bis Oktober 1879 hatte Semlja i Wolja aufgehört zu existieren. Die Agitatoren schufen eine getrennte Organisation mit dem Namen Tschernji Peredel (Schwarze Umverteilung). Der Name bedeutete buchstäblich eine gleiche Umverteilung des Landes unter den „schwarzen“ Menschen, d.h. unter den Bauern. Die Terroristen nahmen den Namen Narodnaja Wolja an, die dank der doppelte Bedeutung des Wortes wolja gleichzeitig „Wille des Volkes“ und „Freiheit des Volkes“ bedeutet.

Tschernji Peredel war fast eine Totgeburt. „Die Organisation hatte kein Glück vom ersten Tag ihrer Schaffung an“, beschwerte Deutsch, einer ihrer Gründer, in seinen Erinnerungen [Memoiren]. „O.W. Aptekman, der Chronist der Tschernji Peredel und einer ihrer führenden Mitglieder beginnt seiner Darstellung mit diesen traurigen Worten: ‚Nicht in glücklichen Zeiten wurde die Organisation Tschernji Peredel geboren. Gott gab ihr nicht Leben und drei Monate später verstarb sie‘.“ [32]

Als der Aktivitäten eines Verräters innerhalb der Organisation wurden ihre Führer, Plechanow, Axelrod, Sassulitsch und Deutsch dazu gezwungen, einer nach dem anderen aus Rußland zu emigrieren. Nach einer Reihe Razzien, die zur Beschlagnahmung der Druckerpresse der Gruppe und die Verhaftung fast aller Mitglieder führte, die noch nicht außerhalb des Landes waren, hörte die Gruppe praktisch auf zu existieren. Nichtsdestotrotz sollte Tschernji Peredel eine wichtige historische rolle spielen. Sie wurde zur Brücke vom Populismus zum Marxismus.

 

 

Wende an die Arbeiterklasse

Empirisch und ohne ein klares theoretisches Verständnis ihres Problems wandten sich Individuellen unter den Volkstümlern immer und immer wieder an die industrielle Arbeiterklasse. Ohne diese kleine Knospen in Betracht zu ziehen, läßt sich das Wachstum des russischen Marxismus nicht verstehen.

Im Jahre 1870 pflanzten für das erste Mal in der russischen Geschichte eine Gruppe von Studenten, geführt von N.W. Tschaikowsky, den Saat der Arbeiterorganisation. [1*] Sie machten das nicht deswegen, weil sie das Proletariat als Agent des Sozialismus betrachteten, sondern weil sie in den Fabrikarbeitern Agenten für die Verbreitung der Botschaft der Volkstümler unter den Bauern sahen.

Sei verknüpften deshalb Kontakt mit denjenigen, die am wenigsten ausgebildet und die am direktesten am Leben und am Geist der ländlichen Gebieten waren. aus Prinzip wählten sie eher immer Textilarbeiter als Metallarbeiter, denn in ihnen erkannten sie die Vertreter derjenigen, die sie als das wirkliche Volk betrachteten. A.W. Nisowkin, einer ihrer aktivsten Propagandisten, sagte, daß die Metallarbeiter schon von der städtischen Zivilisation gekennzeichnet wurden. Sie zogen sich besser an; sie lebten nicht mehr gemeinschaftlich; und die Tradition des artels starb unter ihnen aus. Die Textilarbeiter andererseits ... zogen sich immer noch nach der ländlichen Art an und behielten immer noch Gewohnheiten, die vom Dorf typisch waren – vom gemeinschaftlichen Geist zur Betrunkenheit. [33]

Die Tschaikowisten waren zahlenmäßig wenig:

Es ist schwierig genau zu sagen wieviele, Mitglieder es in der St.-Petersburger Gruppe der Tschaikowisten gab ... in 1928, fast ein halbes Jahrhundert später, versuchten drei der Überlebenden ..., eine genaue Liste ihrer Genossen zwischen 1871 und 1874 aufzuschreiben. Sie schätzen eine Gruppe aus 19 Mitgliedern in Moskau, 11 in Odessa, 8 in Kiew und einige in Charkow, Orel, Kasan und Tula. [34]

Jeder Tschaikowist fing seine politische Arbeit an, indem er Kontakt mit einer kleinen Gruppe aus zwischen drei und fünf Arbeitern aufnahm, denen er das lesen und Schreiben beibrachte. Er unterrichtete sie auch in Geographie, Geschichte, Physik und anderen Fächern. Vorlesungen wurden über Themen gehalten wie die Geschichte der Rebellionen [Aufstände] in Rußland, die Internationale, die deutsche Arbeiterbewegung und politische Ökonomie (basiert auf den Werken von Marx). eine Bibliothek war gegründet worden für diejenigen Arbeiter, die bereit waren 2 Prozent ihres Lohns für ihren Unterhalt zu bezahlen. leider überlebten die Tschaikowisten nicht die polizeiliche Verfolgung. 1873 hörten sie auf, als organisierte Körperschaft zu existieren.

Während die Tschaikowisten in St. Petersburg an der Arbeit waren, wurde eine noch wichtigere und bei weitem proletarischere Gruppe in Odessa gegründet. In Zentrum der Gruppe stand E. Saslawski, der sie für acht oder neun Monate leitete, und sie wurde der Arbeiterverein Südrußlands genannt. Man kann diese als die erste Organisation mit einer wirklichen Arbeiterorientierung, die auf dem Gebiet des Russischen Reichs entstand [35], betrachten. Der Verein, der 50 bis 60 Mitglieder in seiner zentralen Organisation hatte, konnte zwei Streiks unterstützen, den ersten im Januar 1875 bei der Fabrik Bdellion-Wenderitsch und den zweiten im August bei der Fabrik Gullier-Blanchard. Ein Manifest wurde zur zweiten Gelegenheit entworfen und verteilt. Der Einfluß des Vereins wuchs rasch, nicht bloß in Odessa, sondern auch in anderen Städten die Küste des Schwarzen Meeres entlang. Sein Programm enthielt einige neuartigen Punkte. Die Aufgaben, die er sich stellte, schlossen ein: „(a) die Propagierung der Idee der Befreiung der Arbeiter vom Joch des Kapitals und der privilegierten Klassen; und (b) die Organisierung der Arbeiter Südrußlands für den kommenden Kampf Gagen die bestehende ökonomische und politischen Ordnung“. [36] Ende 1875 ermöglichte ein Spitzel es den Behörden, den Verein praktisch ein Ende zu bereiten, indem sie ihre ganze Führung verhafteten.

Aber die Verhaftung der Tschaikowisten Anfang 1874, die die Kader der Organisation zerstörte, hielt nicht die langsame und unsichtbare Verbreitung von revolutionären Ideen unter den Petersburger Arbeitern auf. Einer der dramatischsten Ausdrücke davon war eine Demonstration auf dem Platz vor dem Kasaner Dom am 6. Dezember 1876. Diese war ein Markstein in der Geschichte der russischen revolutionären Bewegung. Plechanow, der eine zentrale Rolle in der Demonstration spielte, beschrieb das Ereignis Jahre später. Inspiriert von einer von Intellektuellen durchgeführten Demonstration im Frühjahr 1875 beim Begräbnis eines Studenten, der von seinen Gefängniswärtern ermordet worden war, schlug eine Gruppe Arbeiter eine eigene Demonstration vor. Sie versicherten Plechanow, daß etwa 2.00 von ihnen sich daran beteiligen würden. Am genannten Tag sammelte sich eine Menge, die hauptsächlich aus Studenten bestand, aber auch einige Arbeiter einschloß, vor dem Dom. Schätzungen der Zahl der Anwesenden sind unterschiedlich, von 150 bis 500. Nach einer Verschiebung des Verfahrens in der Hoffnung, daß mehr Arbeiter auftauchen würden und unter der Drohung der Gefahr, daß das ganze Projekt zusammenbrechen würde, stand Plechanow auf und hielt eine Rede, die mit den Worten endete: „Es lebe die sozialistische Revolution. Es lebe Semlja i Wolja.“ Ein rotes Transparent mit den Worten: „Land und Freiheit“, wurde dann aufgerollt. diese kleine Demonstration war die erste Arbeiterdemonstration in der Geschichte Rußlands.

Eine Streikwelle fand in Petersburg zwischen 1877 und 1879 statt. Insgesamt gab es 26, ein beispielloses Niveau der Streikaktivität, das erst während der 1890er Jahre wiederholt wurde. Gerade in dieser Periode entstand eine neue Arbeiterorganisation in Petrograd, der Arbeiterverein Nordrußlands. Er hatte etwa 200 Mitglieder mit Gruppen in allen Arbeitervierteln der Stadt. Sein Gründer war der Tischler Stepan Chalturin, Sohn eines Bauern aus der Provinz Wjatka. Aber nach einigen Monaten des aktiven Lebens wurde der Nördliche Verein der Reihe nach von der Polizei zerstört und 1880 hörte er auf zu existieren.

1879 wandte Plechanow, der Tschernji Peredel führte, Seen volkstümlerischen Terrorismus seinen Rücken, legte die Betonung auf Propaganda und argumentierte auch aus empirischen Gründen für eine Wende an die Arbeiterklasse. Aber die Nabelschnur die sein Denken mit der volkstümlerischen Schätzung der Bauernschaft als Agenten des Sozialismus war noch nicht durchgetrennt worden. Februar 1879 schrieb er: „Agitation in den betrieben steigt täglich: Das seit die Nachricht des Tages.“ diese Agitation bilde Eis derjenigen Probleme, die „das leben selbst in den Vordergrund bringt, seinen rechtmäßigen Platz, trotz der a priori theoretischen Entscheidungen der Revolutionären ... In der Vergangenheit, und nicht ohne Grund, stellten wir unsere ganzen Hoffnungen in und richteten unsere ganzen Kräfte auf die Dorfmassen. Der städtische Arbeiter hielt nur den zweiten Platz in den Rechnungen der Revolutionären ...“

Während die Bauern im Dorf unter dem Einfluß „der konservativeren und ängstlicheren Mitglieder der Bauernfamilie“ seien, „bilden die städtischen Arbeiter ... die mobilste, die der Anstiftung anfälligsten, die am leichtesten mobilisierte Schicht der Bevölkerung“.

Unsere große Industriezentren gruppieren Zehntausende und manchmal Hunderttausende von Arbeitern zusammen. In der großen Mehrheit der Fällen sind diese Männer dieselben Bauern wie in den Dörfern ... das landwirtschaftliche Problem, die Frage der Selbstverwaltung der obschtschina, Land und Freiheit: all diese liegen den Arbeitern ebenso nah am Herzen wie den Bauern. Mit einem Wort ist es nicht eine Frage von Massen, die von den ländlichen Gebieten abgeschnitten sind, sondern von einem Teil der ländlichen Gebieten. Ihre Sache ist dieselbe, ihr Kampf kann und muß derselbe sein. Und außerdem sammeln die Städte die wahre Blüte der Dorfbevölkerung, jüngere Menschen mit mehr Unternehmungsgeist ... da werden sie weit entfernt vom Einfluß der konservativeren und ängstlicheren Elemente der Bauernfamilie ferngehalten ... Dank dazu werden sie ein wertvoller Bündnispartner für die Bauern bilden, wenn die soziale Revolution ausbricht. [37]

Die kommende sozialistische Revolution würde eine Bauernrevolution sein, aber die Arbeiter sollten unschätzbare Verbündete der Bauernschaft sein, da sie immer noch im Grunde genommen selbst Bauern seien, und sie könnte als Vermittler zwischen der Intelligenz in den Städten und der Bauernschaft auf dem Lande handeln. Jahre lang nach Plechanows Bruch rief Narodnaja Wolja auch für mehr Betonung auf Propagandatätigkeit unter Industriearbeitern auf. So erklärt ein programmatischer Artikel mit dem Titel „Vorbereitungsarbeit der Partei“ in Kalendar Narodnoj Wolji (1883): „Die arbeitende Bevölkerung der Städte, die von besonders große Bedeutung für die Revolution ist sowohl durch ihre Position als auch durch ihre große Entwicklung , muß das Objekt der ernsthaften Aufmerksamkeit der Partei sein.“ [38]

Es gibt jedoch einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Haltung der Volkstümler, einschließlich der Plechanows im Jahre 1879, über Propagandaarbeit unter Industriearbeiter und der der Marxisten. Letztere sind „überzeugt, daß die Arbeiter nicht für die Revolution notwendig sind, sondern die Revolution für die Arbeiter“. [39] Für die Volkstümler sind die Arbeiter für die Revolution notwendig. Ein Volkstümler kann die Frage stellen: „Warum die Arbeiterklasse?“, während ein Marxist nur die Frage stellen kann: „Warum der Marxismus?“, da für ihn die Arbeiterklasse das Subjekt, nicht das Objekt der Geschichte ist.

Noch einmal haben wir in die Haltung der Volkstümler zur Arbeit unter dem Proletariat einen Fall, wo die Praxis über die Theorie hinauswächst –, eine Änderung der Taktik ohne das Verständnis der theoretischen folgen, die für eine konsequente Kursänderung notwendig sind. Die Volkstümelei hatte ihre Zeit überlebt, und Elemente des Marxismus entstanden innerhalb des ideologischen Rahmens der Volkstümelei.

 

 

Plechanow, marxistischer Pionier

Zwischen 1880 und 1882 ging Plechanow den ganzen Weg von der Volkstümelei zum Marxismus über. 1883 wurde die Gruppe Befreiung der Arbeit gegründet.

auch 1883 schrieb Plechanow das erste größere russische Werk des Marxismus, Der Sozialismus und der politische Kampf. Das selbst war keineswegs eine kurze Broschüre und ihr folgte etwa ein Jahr später das dicke Buch Unsere Unterschiede. Der bolschewistische Historiker Pokrowski erklärte das, was allgemein bekannt war, als er sagte, daß dieses Werk „fast alle grundsätzlichen Ideen [enthielt], die das Repertoire des russischen Marxismus bis zur Jahrhundertwende bildeten“. [40]

Die Zukunft, sagte Plechanow, als er die Kommune einer eingehenden Analyse unterzog, gehöre nicht den Bauern und ihrer „Kommune“. Er zitierte beeindruckende Daten, die die zunehmende Ungleichheit und Individualismus unter den Bauern in den Kommunen bewies. Einerseits hatten viele Bauern die Fähigkeit verloren, die Landparzellen zu bebauen, bzw. waren dabei, sie zu verlieren, gaben ihre Rechte anderen Bauern ab und wurden selber zu Lohnarbeitern. Gleichzeitig bebauten andere, die reichen Bauern oder Kulaken (kulak heißt „Faust“ auf Russisch), zunehmend die Parzellen anderer Bauern zusätzlich zu den eigenen., sie kauften bzw. mieteten zusätzliches Land und stellten Gehilfen ein.

Plechanow griff auch die Idealisierung der Vergangenheit der Kommune an: „Unsere Dorfgemeinschaft ... ist in Wirklichkeit zur Hauptstütze des russischen Absolutismus geworden“ und „wird immer mehr zu einem Instrument in den Händen der ländlichen Bourgeoisie für die Ausbeutung der Mehrheit der landwirtschaftlichen Bevölkerung“. [41] Er zerschlug das Argument des Volkstümlerökonoms, W.W., daß der Kapitalismus in Rußland wegen der Mangel an Märkten nicht entwickeln könne. Mit einem großen historischen Reichweite, die Beispiele aus Colberts Frankreich, aus Deutschland unter dem Zollverein und aus den Vereinigten Staaten benutzte, zeigte er, daß der Staat immer einmischte, um junge wachsende Industrien gegen die überwältigende Vorherrschaft Großbritanniens zu schützen.

Ferner, im Gegensatz zu W.W.s Argumente, gingen Innenmärkte nicht der Entwicklung des Kapitalismus vorher als Voraussetzung dafür, sondern wurden vom Kapitalismus selbst geschaffen. „Die Bourgeoisie schuf die Märkte, sie fand sie nicht vorgefertigt.“ [42] Der Ruin der Handwerker und das Eindringen der Geldverhältnisse in die Landwirtschaft schafft den Markt. „Der Übergang jedes Landes von einer Natur- zur Geldwirtschaft wird notwendigerweise von einer riesigen Ausdehnung des Innenmarktes begleitet und es gibt keine Zweifel, daß in unserem Land dieser Markt als Ganzes zu unserer Bourgeoisie übergehen wird.“ [43]

Plechanow argumentierte, daß es utopisch sei, wie die Volkstümler zu glauben, daß man den Kapitalismus daran hindern könnte, die russische Wirtschaft und Gesellschaft zu verwandeln. Er folgerte, daß Sozialisten sich an die industrielle Arbeiterklasse als Vorbote der Zukunft wenden sollten: „Die ländliche Bevölkerung heute, die unter rückständigen gesellschaftlichen Bedingungen lebt, ist nicht bloß weniger zur bewußten politischen Initiative fähig als die Industriearbeiter, sondern reagiert auch weniger auf die Bewegung, die unsere revolutionäre Intelligenz angefangen hat.“ „Und außerdem“, fuhr Plechanow fort, „geht die Bauernschaft jetzt durch eine schwierige, kritische Periode. Die früheren ‚angestammten‘ Grundlagen ihrer Wirtschaft zerbröckeln, die unglückselige Dorfgemeinschaft selbst wird in den eigenen Augen in Mißkredit gebracht. Wie auch von solchen ‚angestammten‘ Organe der Volkstümelei wie Nedelja zugegeben wird und die neue Formen der Arbeit und des Lebens sind erst im Prozeß der Bildung und dieser schöpferische Prozeß ist in den Industriezentren intensiver.“ [44]

Plechanow war der erste Russe, der argumentierte, daß die Arbeiterklasse die Hauptrolle in der kommenden russischen Revolution gegen die zaristische Autokratie [Selbstherrschaft] spielen würde. So erklärte er in einer Erklärung an den Gründungskongreß der Sozialistischen (Zweiten) Internationale (Juli 1889): „Die revolutionäre Bewegung in Rußland kann nur als die revolutionäre Bewegung der Arbeiter triumphieren. Es gibt keinen anderen Weg für uns und es kann ihn nicht geben!“ [45]

 

 

Immer noch zur Volkstümelei geneigt

Plechanow wurde jedoch immer noch von den Volkstümlern angezogen. Volkstümlerische Ideen sind in seinen Schriften, besonders in denen aus 1883 und 1884, reichlich vorhanden. Zu jener Zeit stellte er die Zukunft der Sozialdemokraten im Gegensatz zur der der Narodnaja Wolja, sondern forderte bloß das letztere den Marxismus annehmen sollten. In Unsere Meinungsverschiedenheiten schrieb er:

Bei der Vorstellung dieses ersten Versuchs bei einem Programm für die russischen Marxisten an die Genossen , die in Rußland arbeiten, sind wir weit vom Wunsch entfernt, mit Narodnaja Wolja zu konkurrieren; ganz im Gegenteil, es gibt nichts, daß wir mehr wünschen, als volle und endgültige Übereinstimmung mit jener Partei. Wir glauben, daß die Partei Narodnaja Wolja eine marxistische Partei werden muß, wenn sie überhaupt ihren revolutionären Traditionen treu bleiben und die russische Bewegung aus seiner gegenwärtigen Stagnation holen will. [46]

Trotz seiner Kritik der Rolle der ländlichen Kommunen waren seine Zugeständnisse an die Volkstümler auch in dieser Frage weitreichend. So schrieb er:

Wenn die Stunde des entscheidenden Siegs der Arbeiterpartei über die oberen Teile der Gesellschaft schlägt, wird noch einmal diese Partei, und nur diese Partei, die Initiative in der sozialistischen Organisation der Nationalproduktion ergreifen ... die Dorfgemeinden, die immer noch bestehen, werden eigentlich den Übergang zu einer höheren, kommunistischen Form beginnen ... gemeinschaftlicher Besitz wird nicht nur möglich, sondern auch wirklich [aktuell] und die volkstümliche Träume der außergewöhnlichen Entwicklung unserer Bauern werden wahr werden. [47]

Er machte auch Zugeständnisse zum individuellen Terrorismus der Volkstümler. „Und wie ist es mit dem Terror? ... wir leugnen keineswegs die wichtige Rolle des terroristischen Kampfes in der aktuellen Befreiungsbewegung. Er ist naturgemäß aus den gesellschaftlichen und politischen Umständen, unter denen wir gestellt sind, und er muß ebenso naturgemäß eine Verbesserung fördern.“ Die Volkstümlerpartei sollte

sich an die Arbeiterklasse als die Revolutionärste aller Klassen in der gegenwärtigen Gesellschaft wenden ... wir deuten auf eine Weise hin, wie man den Kampf breiter, vielfältiger und erfolgreicher machen kann ... Es gibt andere Schichten der Bevölkerung [d.h. außerhalb der Arbeiter – T.C.], für die es weit praktischer wäre, den terroristischen Kampf gegen die Regierung aufzunehmen. Propaganda unter den Arbeitern wird nicht die Notwendigkeit des terroristischen Kampfes beseitigen, aber sie wird ihm Gelegenheiten liefern, die bislang nie bestanden haben. [48] [2*]

Plechanow berücksichtigte auch die elitäre Haltung der Volkstümler gegenüber der Intelligenz:

Unsere sozialistische Intelligent ist genötigt worden, die gegenwärtige Befreiungsbewegung zu führen, deren unmittelbare Aufgabe darin bestehen muß, freie politische Einrichtungen in unserem Land zu gründen, während ihrerseits die Sozialisten genötigt worden sind, der Arbeiterklasse die Gelegenheit zu liefern, sich aktiv und fruchtbar am künftigen politischen Leben Rußlands zu beteiligen ... Das ist der Grund, warum die sozialistische Intelligenz dazu verpflichtet ist, die Arbeiter zu organisieren und sie so weit wie möglich auf den Kampf gegen das gegenwärtige Herrschaftssystem wie auch gegen die künftigen bürgerlichen Parteien vorzubereiten. [50]

Plechanow führte den authentischen Marxismus in Rußland ein und machte ihn zur Waffe, die die Bedürfnisse der Revolution paßte. Er entdeckte die Arbeiterklasse als Träger der zukünftigen russischen Revolution. Um einen solchen Schritt nach vorne zu machen, brauchte man eine breite historische Aussicht, die Plechanow sicherlich besaß. Er war einer der gelehrtesten, scharfsichtigsten und kultiviertesten Menschen seiner Zeit mit einem mächtigen und originellen Geist, der kritische und schöpferische Talenten in vielen Bereichen sowie ein glänzendes literarisches Talent besaß. Er studierte so verschiedene Fächer wie organische Chemie, Geologie und Anthropologie, Zoologie und vergleichende Anatomie, seine Untersuchungen erstreckten sich über solche Bereiche wie Geschichte und Ästhetik, Völkerkunde, Literatur, Erkenntnislehre, und Kunst. Er initiierte die marxistische Literaturkritik und leistete Pionierarbeit bei der Ausbreitung der marxistischen Forschung in eine Reihe anderer Bereiche.

Es ist schwierig, die Wichtigkeit des Plechanowschen Beitrags zur russischen revolutionären Bewegung zu begreifen, wenn man sich nicht in der Phantasie zurück ins Milieu der radikalen Intelligenz Anfang der 1880er Jahre versetzen kann, ein Milieu, das von einer Volkstümelei durchtränkt war, die durch Jahrzehnte des Kampfes und das Blut der Märtyrer sakrosankt gemacht wurde. Erst dann kann man wirklich die wirkliche Aufregung verstehen, die darin bestand, ein Pionier zu sein, der erste, der den Marxismus in russische Begriffe übertrug. Die erste Marxsche Abhandlung Plechanows, Der Sozialismus und der politische Kampf, hatte laut Lenin eine Bedeutung für Rußland, die mit der des Kommunistischen Manifestes im Westen vergleichbar war. Plechanows Buch Über die Entwicklung der monistischen Geschichtsauffassung, so Lenin, „zog eine ganze Generation von russischen Marxisten auf“, Trotzki erklärte: „Die marxistische Generation der 1890er Jahre stand auf dem Fundament, das Plechanow gelegt hatte ... neben Marx und Engels schuldete Wladimir Plechanow das Meiste“. [51]

 

 

Die „Stärke“ der Gruppe Befreiung der Arbeit

Um zu verstehen, warum es solange dauerte, bis Lenin von Plechanows Ideen überzeugt wurde, muß man verstehen, daß sie in Wirklichkeit körperlose Ideen ohne irgendeine Bewegung waren – es gab keine Streiks bzw. Demonstrationen von zahlreichen Anhängern, die sie unterstützten. In der Tat existierte die Gruppe Befreiung der Arbeit zehn Jahre lang, 1883-93, nur im Exil. Praktisch war sie die gesamte marxistische Bewegung.

am Anfang bestand die Gruppe aus nur fünf Menschen! Plechanow, Axelrod, Deutsch, Vera Sassulitsch und W.I. Ignatow. Bald wurde sie auf drei reduziert. Ignatow, der eine beträchtliche Menge Geld beitrug, um die Organisation zu unterstützen, starb 1895 an Tuberkulose, die ihn von Anfang an daran gehindert hatte, eine sehr aktive Rolle in der Arbeit der Gruppe zu nehmen. Deutsch wurde Mitte 1884 verhaftet während eines Versuchs, das Absenden von Literatur nach Rußland zu organisieren. Plechanow und die beiden anderen standen vor einem Jahrzehnt der praktisch vollständigen Isolation. Es gab zwar während der ganzen 1880er Jahre Zirkel in verschiedenen russischen Städten, die sich an Aktivitäten unter den Arbeitern beteiligten. Aber sie waren so schwächlich, die Ergebnisse ihrer Arbeit waren so unsichtbar, die Verfolgung der Polizei war so erfolgreich, daß sie überall kaum Wurzel schlagen konnten und blieben völlig voneinander isoliert. Es brauchte mehrere Jahrzehnte von Geschichtsforschung, um überhaupt das Bestehen dieser Gruppen zu enthüllen, die unter schrecklichen Bedingungen arbeiteten und wichtige Vorarbeiten leisten als Vorbereitung für die umfangreichen Arbeit des folgenden Jahrzehnts.

1884 schrieb eine kleine Gruppe von Intellektuellen und Arbeitern unter der Führung des bulgarischen Studenten Blagojew (später der Gründer der Kommunistischen Partei Bulgariens) an die Gruppe Befreiung der Arbeit: „Wir sind zum Schluß gekommen, daß es vieles Gemeinsames zwischen unseren Ansichten und denen der Gruppe Befreiung der Arbeit gibt.“ Die Blagojewtsi beugten sich ihren „ausländischen Genossen, die viel mehr literarische Vorbereitung und größere revolutionäre Erfahrung haben“ und

baten um die Herstellung von regelmäßigen Beziehungen, den Versand von Literatur und eine Diskussion über Punkte des Programms und sie versprachen, Gelder zu liefern. Kein Wunder, daß Plechanow erleichtert Axelrod zurief: ‚Wir leiden nicht vergeblich.“ So begann eine Periode von einem Jahr der Zusammenarbeit, die erst im Winter 1885–86 endete, als die Blagojew-Gruppe, wie die anderen vor ihr, durch Razzien zerstört wurde. [52]

Kurz nach der Zerstörung der Blagojewtsi entstand eine andere Gruppe, die als der Totschinski-Zirkel bekannt war, aber sie hatte auch eine sehr kurze Existenz, die sich auf das Jahr 1888 beschränkt war. Kaum hatte die Polizei sie erfolgreich zerstört, entstand erneut 1889 eine neue revolutionäre Gruppe, die als die Brusnew-Gruppe bekannt war, nach ihrem Führer, einem Ingenieur vom selben Namen. Unter den Mitgliedern dieser Gruppe waren eine Anzahl von herausragenden Arbeitern wie Bogdanow, Norinski, Schelgunow und Fedor Afanassjew. Ihre Existenz hörte nach den Polizeirazzien des Jahres 1892 auf.

Alles in allem waren die 1880er Jahre Jahre der sehr kleinen marxistischen Propagandazirkel unter den Arbeitern. Im allgemeinen blieben sie als Zeit der Finsternis in Erinnerung. „Ein Mann der 1880er Jahre“ war ein enttäuschter Mann, bedrückt und träge. In der Literatur fand diese Stimmung Ausdruck in den Stücken von Tschekow – Onkel Wanja, Iwanow und andere Charakter – alle Ausdrücke der Verzweiflung und der kleinen Taten.

Es gab wenige Arbeiterstreiks während der 1880er Jahre. während der sechs Jahre 1881–86 gab es bloß 49 Streiks [53], und die Marxisten hatten kaum Einfluß über einen einzigen davon. Ein russischer Historiker der Arbeiterbewegung konnte 1893 ganz zu Recht schreiben, daß bis zu diesem Jahr Arbeiterunruhen in Rußland „überhaupt keine Verbindung mit irgendeiner der sozialdemokratischen Einheiten hatten“. [54]

 

 

Gleich, aber anders

Um seine eigenen Ideen zu klären, um sein eigenes Verhältnis zur Volkstümelei zu untersuchen, fing der junge Wladimir Uljanow damit an, Polemiken gegen die Volkstümler zu schreiben. „... man kann neue Auffassungen nichts anders als polemisch entwickeln“, schrieb er zwei Jahrzehnte später. [55] Die Geschichte der Ideen ist die Geschichte des Konflikts zwischen Ideen. Diese frühen polemischen Schriften sind nicht inhaltslose Studien, sondern vertiefen sich in die Tatsachen der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung Rußlands. Vor allem wollte Lenin die Wirklichkeit der Gesellschaft begreifen, in der er lebte und an deren radikale Umwandlung er sich beteiligen sollte.

Am Ende der Samara-Periode machte eine Handschrift von Uljanow die Runde unter den Genossen. Sie hieß Eine Auseinandersetzung zwischen einem Sozialdemokraten und einem Volkstümler und war höchstwahrscheinlich eine Zusammenfassung der Auseinandersetzungen in Samara in der Form eines Dialogs. Leider ist diese Schrift verloren gegangen. Dann schrieb er eine Besprechung einer buchlangen Studie der Agrarfrage mit dem Titel Neue ökonomische Entwicklung im Bauernleben (Über W.J. Postnikows Bauernlandwirtschaft in Südrußland). Die Besprechung, voll mit Statistiken und für eine legale Zeitschrift [Jurazeitschrift] geschrieben, wurde abgelehnt – vielleicht wegen seiner Länge, vielleicht wegen ihrer scharfen Kritik des damals vorherrschenden volkstümlerischen Standpunkts. Uljanow las seine Handschrift in Studienkreis in Samara, wo sie seine Autorität sofort verschaffte. Eine der zwei handgeschriebenen Kopien dieser Besprechung existiert noch, dank den unermüdlichen Sammlern von revolutionären Handschriften, der zaristischen Geheimpolizei. Sie ist eine sehr reife, außergewöhnlich penetrante Analyse der ökonomischen und gesellschaftlichen Szene auf dem Land, obwohl Uljanow erst 23 Jahre alt war. Der Großteil davon wurde in sein Buch Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland aufgenommen, das fünf Jahre später geschrieben wurde.

Uljanows drittes Schriftstück war eine andere Polemik gegen die Volkstümler. Der Titel war Über die sogenannte Marktfrage und wurde im Herbst 1893 In Petersburg geschrieben. Seine Hauptpunkte wurden zuerst von Lenin bei einer Veranstaltung eines marxistischen Zirkels skizziert, wo eine Vorlesung mit dem Titel Über Märkte von einem anderen jungen Marxisten G.B. Krassin diskutiert wurde. Laut Teilnehmern an der Veranstaltung machte Lenins Referat einen großen Eindruck auf alle Anwesenden. [56] Das Referat zeigt ein sehr klares Verständnis des zweiten Bandes des Marx’schen Kapitals. Es ist eine gute schlagkräftige [aggressive] Kritik der Theorie W.W.s, daß eine „extensive“ Entwicklung der Industrie in Rußland wegen des Mangels an Märkten unmöglich sei. (Die einzige Kopie galt lange als verloren, aber tatsächlich wurde sie 1937 gefunden.) Uljanows wichtigste Schrift im Jahre 1894 war ein Werk mit dem Titel Was die „Völkerfreunde“ sind und wie sie die Sozialdemokraten bekämpfen (Eine Antwort auf Artikeln gegen die Marxisten in Russkoje Bogatswo). [3*] Es zirkulierte in drei dicken, vorsichtig handgeschriebenen Heften. Die Heften erregten großes Aufsehen unter den wenigen Marxisten in Petersburg, sie wurden bald mit einem Hektograph kopiert und gingen von Hand zu Hand. Nur der erste und der dritte Teil bestehen noch und sie füllen 199 Seiten in Lenins Werke (4. russische Ausgabe). Man kann die Menge harter Arbeit vorstellen, die es brauchte, um das Ganze ordentlich in den handgeschriebenen Heften zu schreiben, und dann wieder, als das Buchstabe für Buchstabe auf den Blätter für den Hektograph wiederholt wurde.

Sein nächstes wichtiges Werk, das er Ende 1894 und Anfang 1895 schrieb, war noch eine Kritik der Volkstümler, Der ökonomische Inhalt der Volkstümelei und die Kritik daran im Buch des Herrn Struve (Die Widerspiegelung des Marxismus in der bürgerlichen Literatur). P. Struve, Kritische Bemerkungen über die Frage der ökonomischen Entwicklung Rußlands, St. Petersburg, 1894. Wieder ist dieses ein längeres Werk – es füllt 166 Seiten in den Werken. Es war das erste seiner Werke, das gedruckt wurde. Aber es wurde von der Polizei beschlagnahmt und nur einige Kopien wurden gerettet.

Danach in 1895 und 1896 schrieb Uljanow nichts mehr gegen die Volkstümler. Aber 1897 schrieb er einen weiteren größeren Angriff , 118 Seiten lang, mit dem Titel Eine Charakterisierung der ökonomischen Romantik (Sismondi und unsere einheimischen Sismondisten). Schließlich kam seine größere theoretische Arbeit, Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland, die fast das ganze Band 3 der Werke (535 Seiten) füllt. Diese war eine marxistische Analyse der ökonomischen Entwicklung Rußlands, das polemisch gegen die Volkstümler geschrieben wurde. Die gesamte Forschung für das Buch und das Schreiben davon fand statt, als Uljanow ein Häftling der Polizei war: zuerst im Gefängnis, und dann in Sibirien. Er benutzte 299 Werke auf Russisch und 38 Studien auf Deutsch, Französisch und Englisch (oder in russischer Übersetzung). Diese kaufte er bzw. lieh per Post von fernen Bibliotheken aus, während er im Gefängnis oder im Exil lebte. Das Buch erschien während des letzten Jahres seines Exils (1899) unter der Autorschaft von W. Iljin.

In vielerlei Hinsicht folgen diese Werke dem Weg, der schon von Plechanow eröffnet worden war, und Lenin hat nie versäumt, seinen intellektuellen Schuld bei Plechanow mit Dank zu äußern. Das Letzte, das er suchte, war Originalität. Er erinnerte sich wahrscheinlich an den Worten seines großen Lehrers und Inspirators, Tschernyschewski:

Sorge um Originalität zerstört die Originalität selbst und die wahre Unabhängigkeit wird nur denjenigen verliehen, die sich nicht halten, um über die Möglichkeit zu spekulieren, daß sie nicht unabhängig seien. Nur die Schwachen [Schwächlichen] sprechen von der Stärke ihres Charakters. Und nur der Mann, der Angst darüber hat, daß er leicht verunsichert wird, hat Angst davor, sich dem Einfluß von anderen auszusetzen. die gegenwärtige Sorge um Originalität ist eine Sorge um Form. Ein Mann, der überhaupt einen wirklichen Inhalt hat, macht keine große Sorgen um Originalität. Sorge um Form führt zu grundlosen Erfindungen und Leere. [57]

In mehreren Weisen waren jedoch Lenins Schriften gegen die Volkstümler wirklich original. indem sie sich radikal von denen von Plechanow unterschieden. Einerseits hatte der junge Schüler nicht die historische Breite des alten Meisters. Wo Plechanow historische Beispiele aus verschiedenen Ländern, aus anthropologischer Forschung über das Schicksal der Urgemeinden usf. benutzte, erschien kein Hauch davon in Lenins Schriften. Noch gibt es denselben Reichtum an literarischen und kulturellen Hinweise und denselben stilistischen Glanz. Andererseits ist Lenins Verständnis der ökonomischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit weit überlegen. Seine Anwendung von statistischen Daten in der detaillierten Analyse der aktuellen [wirklichen] Lage ist besser als alles, was Plechanow schrieb. Sein Eindringen in die sehr komplizierten Formen der feudalen Versklavung, die den neuen kapitalistischen Verhältnissen auf dem Land folgten, ist ohnegleichen. Während er immer noch ein Jünger war, befaßte sich Uljanow auch mit seinen eigenen klaren Ideen und unterschied sich von seinem Meister in zwei miteinander verbundenen und, wie die Zukunft zeigen sollte, entscheidenden Punkten: (1) seiner Haltung zur kapitalistischen Entwicklung als solcher, und (2) seiner Haltung zu den Volkstümlern.

Die Unterschiede über den ersten Punkt erscheinen am deutlichsten im Werk, Der ökonomische Inhalt der Volkstümelei und die Kritik daran im Buch des Herrn Struve. Um sie schätzen zu können, müssen wir zuerst den Hintergrund verstehen, gegen den es erschien. Jahrelang machten die zaristischen Behörden keine Sorgen um den Marxismus. Während der 1870er und der 1880er Jahre wurden sowohl Band 1 als auch Band 2 des Marx’schen Kapitals vom zaristischen Zensor zugelassen.

„Man kann mit Sicherheit sagen“, erklärte der Zensor Skuratow 1872 in einem Bericht über den ersten Band des Kapitals, „daß in Rußland nur wenige das Buch lesen und noch weniger [es] verstehen werden.“ Die Behörden von Alexander II. ließen auch ohne Verzögerung den zweiten band zu, die schon 1885 in einer russischen Ausgabe erschien, da „inhaltlich und von seiner Darstellung her [es] eine ernsthafte ökonomische Studie [ist], das nur dem Spezialisten verständlich ist“. [58]

Um den Kampf gegen die Volkstümler, in denen der Zar den Hauptfeind sah, zu ermutigen, wurde der „legalen Marxismus“ Mitte der 1890er Jahre erlaubt. Schon während der 1880er Jahre riet ein Agent der Geheimpolizei seine Vorgesetzten dazu, den Aufbau der marxistischen Kräfte als Gegenstück zu den gefährlicheren Volkstümlern zu erlauben. Da die meisten marxistischen Schriften irgendwie die Volkstümelei in Mißkredit brachten, vermuteten die Beamten, sie würden dabei helfen, die wichtigere Ideologie des Widerstands auszurotten. Von den Marxisten selbst erwartete die Regierung keine Probleme. In typischer Weise äußerte ein Polizeioberst aus Nishni-Nowgorod die Meinung, daß sie „zur Zeit nicht gefährlich sind“; und ein Petersburger Staatsanwalt betrachtete sie als „bislang bloß Theoretiker“. [59]

1894 legte Peter Struve ein Werk mit deutlich marxistischer Orientierung mit dem Titel Kritische Notizen über die ökonomische Entwicklung Rußlands zur Veröffentlichung vor und der Zensor ließ es zu. Seine Veröffentlichung im September 1894 eröffnete die Periode des „legalen Marxismus“, die fünf weitere Jahre dauerte.

Obwohl Lenin Nutzen aus der gesetzlichen Öffnung für die Veröffentlichung der marxistischen Literatur zog, wie z.B. bei seinem eigenen Buch Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland, machte er von Anfang an eine klare Unterscheidung zwischen sich selbst und dem führenden legalen Marxisten, Struve. Struves Buch war ein heftiger Angriff gegen die Volkstümelei, aber gleichzeitig war es eine Apologie für den [Rechtfertigung des] Kapitalismus.

Plechanow hatte jedoch nicht außer Lob dafür. Wie Struve übersah er großenteils die widersprüchlichen, schmerzhaften und tragischen Seiten der kapitalistischen Entwicklung in Rußland. Ziemlich oft schrieb er fast als Rechtfertiger der kapitalistischen Industrialisierung. Gegen den „Subjektivismus“ der Volkstümler stellte er den rigiden „Objektivismus“ vor. Die wissenschaftlichen Sozialisten, meinte er, kämpften um den Sozialismus, nicht weil er sein sollte, sondern weil er die nächste Stufe auf dem herrlichen und unwiderstehlichen Vormarsch der Geschichte sei. [60] „Der Sozialdemokrat schwimmt mit dem Strom der Geschichte“ [61], und die Ursachen der historischen Entwicklung „haben nichts mit dem menschlichen Willen und Bewußtsein zu tun“. [62] Ganz zurecht warf Gramsci Plechanow „Rückfälle in den vulgären Materialismus“ vor. [63] Wegen seiner Grundhaltung konnte Plechanow zustimmend Struves Worte zitieren: „Wir müssen zum Schluß kommen, daß es uns Kultur fehlt und zur Schule des Kapitalismus gehen.“ [64]

Obwohl Lenin nicht weniger kritisch von den Volkstümlern ist als Struve oder Plechanow, unterscheidet sich seine Haltung ihnen gegenüber von der ihrigen radikal. Am Anfang seines Aufsatzes über den ökonomischen Inhalt der Volkstümelei und die Kritik davon in Struves Buch macht Lenin deutlich, daß der Marxismus nichts mit dem „Glauben, daß jedes Land die Phase des Kapitalismus durchlaufen müsse“, oder mit irgendwelchen anderen solchen falschen Ideen gemeinsam hat. [65]

Der Marxismus gründet sich auf nichts anderes als auf Tatsachen der russischen Geschichte und Gegenwart; er ist auch [wie die Volkstümelei – T.C.] eine Ideologie der werktätigen Klassen, nur erklärt er die allgemein bekannten Tatsachen des Wachstums und der Siege des russischen Kapitalismus ganz anders, hat eine ganz andere Auffassung von den Aufgaben, die unsere Wirklichkeit den Ideologen der unmittelbaren Produzenten stellt. [66]

Lenin greift Struves „engen Objektivismus“ scharf an,

der sich darauf beschränkt, die Unvermeidlichkeit und die Notwendigkeit des Prozesses zu beweisen und nicht darauf gerichtet ist, in jedem konkreten Stadium dieses Prozesses die ihm eigene Form des Klassenantagonismus aufzudecken – ein Objektivismus, der den Prozeß allgemein charakterisiert, nicht aber die antagonistischen Klassen im einzelnen, aus deren Kampf sich der Prozeß sich zusammensetzt. [67]

Wenn der Objektivist die Notwendigkeit einer gegebenen Reihe von Tatsachen nachweist, so läuft er stets Gefahr, auf den Standpunkt eines Apologeten dieser Tatsachen zu geraten ... [68]

Dagegen stellt Lenin die Methode des Materialisten vor, der „die Klassengegensätze enthüllt und damit seine Standpunkt festlegt“. [69]

Für Lenin war der Kapitalismus fortschrittlich im Vergleich mit dem Feudalismus, weil der Kapitalismus seinen eigenen Totengräber schafft. Der Kapitalismus erweckt Millionen aus den feudalen Trägheit und organisiert sie, und darin liegt seine Fortschrittlichkeit. Den Klassenkampf des Proletariats gegen die Kapitalisten zu verschärfen – darin liegt die Hauptaufgabe der Marxisten.

Der Reiche nach kritisierten Plechanow und Axelrod Lenins Artikel über Struve. In ihren Augen war er zu scharf gegenüber der liberalen Bourgeoisie. So beschreibt Axelrod in seinen Memoiren seine Diskussion mit Lenin:

„Sie zeigen“, sagte ich., „genau die gegensätzlich Tendenz zu der, die im von mir vorbereiteten Artikel ausgedrückt wird ... Ich ... wollte zeigen, daß im gegebenen historischen Augenblick die unmittelbaren Interessen des russischen Proletariats mit den lebenswichtigen Interessen der übrigen fortschrittlichen Elemente der Gesellschaft übereinstimmen ... Beide stehen vor demselben dringenden Problem ..., dem Sturz des Absolutismus [Selbstherrschaft] ...“

Uljanow lächelte und bemerkte: „Wissen Sie, Plechanow machte genau dieselben Bemerkungen über meine Artikel. Er drückte seine Gedanken in bildhafter Art: ‚Sie‘, sagte er, ‚wenden den Liberalen Ihren Rücken, wir aber unser Gesicht‘.“ [70]

Diese Meinungsverschiedenheit antizipierte den zukünftigen Gegensatz zwischen Lenin einerseits und Plechanow und Axelrod andererseits über ihre Haltung zu den Liberalen. Aus einer vorsichtigen Lesung des Plechanowschen Werks Der Sozialismus und der politische Kampf kann man Plechanows schließliches Verhältnis mit den Liberalen Vorhersagen. Er argumentiert in dieser Broschüre, daß man die Ziele der antizaristischen Revolution auf die „Forderung nach einer demokratischen Verfassung“ beschränken sollte.

Ohne den Versuch, irgend jemanden mit dem zur Zeit fernen „roten Gespenst“ zu erschrecken, würde ein solches politisches Programm Sympathie für unsere revolutionäre Partei unter all denjenigen erwecken, die nicht systematische Feinde der Demokratie sind; sehr viele Vertreter unseres Liberalismus könnte sich gemeinsam mit den Sozialisten anschließen ... Dann würden die Interessen der Liberalen sie wirklich dazu „zwingen“, „gemeinsam mit den Sozialisten gegen die Regierung zu handeln“, weil sie nicht mehr in revolutionären Veröffentlichungen die Versicherung treffen würden, daß der Sturz der Selbstherrschaft [des Absolutismus] das Signal für eine soziale Revolution sein würde. Gleichzeitig würde ein anderer weniger ängstliche und nüchternere Teil der liberalen Gesellschaft nicht mehr Revolutionäre als unpraktische Jugendliche betrachten, die sich phantastische Pläne entwerfen, die nicht zu verwirklichen sind. Diese Ansicht, die für Revolutionäre nachteilhaft ist, würde Platz machen für den Respekt der Gesellschaft nicht bloß für ihr Heldentum, sondern auch für ihre politische Reife. Diese Sympathie würde allmählich zur aktiven Unterstützung wachsen, oder noch wahrscheinlicher zu einer unabhängigen sozialen Bewegung, und dann würde die Stunde des Falls der Selbstherrschaft [des Absolutismus] tönen. [71]

Lenin unterschied sich auch von Plechanow in seiner Haltung gegenüber den Volkstümlern. Während der Lenin der Jahre 1893–95 klare Trennlinien zwischen sich und den Volkstümlern zog (viel schärfer all Plechanow 1883–84 gemacht hatte), vergaß er nie, daß die Volkstümelei eine fortschrittliche, demokratisch-revolutionäre Seite hatte, anders als Plechanow, der, als er einmal völlig mit der Volkstümelei gebrochen hatte, aufhörte, irgend etwas Fortschrittliches darin zu finden. Es ist klar, argumentiert Lenin

daß es absolut falsch wäre, daß volkstümlerische Programm. ohne es zu untersuchen, insgesamt abzulehnen. Seine reaktionäre und seine fortschrittliche Seite müssen streng unterschieden werden. Die Volkstümlerrichtung ist reaktionäre, insofern sie Maßnahmen vorschlägt, die den Bauern an die Scholle, an die alten Produktionsweisen fesseln, wie an die Unveräußerlichkeit der Bodenanteile u.dgl.m., insofern sie die Entwicklung der Geldwirtschaft hemmen will ... Aber es gibt bei ihnen auch andere Punkte, Punkte, die sich auf die Selbstverwaltung ..., auf den „Aufschwung“ der „Volks“wirtschaft (lies Kleinwirtschaft) vermittels billiger Kredite, technischer Verbesserungen, Absatzregelungen usw. usw. usf. beziehen ... derartige, allgemeindemokratische Maßnahmen sind fortschrittlich ... der Volkstümler hat in der Theorie ebenso einen Januskopf, der mit einem Antlitz in die Vergangenheit und mit dem anderen in die Zukunft schaut, wie der Kleinproduzent im praktischen Leben einen Januskopf hat, der mit einem Antlitz in die Vergangenheit schaut – indem er seinen Kleinbetrieb zu festigen wünscht, von einem allgemeinen ökonomischen System und von der Notwendigkeit, mit der in diesem System herrschenden Klasse zu rechnen, nichts weiß und nichts wissen will, und mit dem anderen Antlitz in die Zukunft schaut – indem er sich gegen den ihn ruinierenden Kapitalismus feindlich einstellt. [72]

Jahre lang, wie wir sehen werden, kämpfte Lenin um ein Bündnis nicht mit den Liberalen, der Partei der Kadetten, wie von Plechanow vorgeschlagen, sondern mit den Trudowiki, den kleinbürgerlichen Erben der Volkstümelei. 1912 deutete Lenin auf die Verbindung zwischen dem Bolschewismus und dem Versuch, aus der Volkstümelei seinen „wertvollen demokratischen Kern“ herauszuholen.

Es ist klar, daß die Marxisten aus der Schale der volkstümlerischen Utopien sorgfältig den gesunden und wertvollen Kern des ehrlichen, entschiedenen, kämpferischen Demokratismus der Bauernmassen herauslösen müssen.

In der alten marxistischen Literatur der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts kann man das systematisch verfolgte Bestreben finden, diesen wertvollen demokratischen Kern herauszuschälen. Irgendwann werden die Historiker systematisch dieses bestreben studieren und seinen Zusammenhang mit dem verfolgen, was im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Bezeichnung „Bolschewismus“ erhalten hat. [73]

Die Menschewiki haben, als sie die Volkstümlerideologie als eine falsche Doktrin des Sozialismus bekämpften, in doktrinärer Weise den historisch realen und historisch fortschrittlichen Inhalt der Volkstümlerideologie als Theorie des einen Massencharakter tragenden kleinbürgerlichen Kampfes des demokratischen Kapitalismus gegen den liberal-gutsbesitzerlichen Kapitalismus ... übersehen und verpaßt. Daher ihre ungeheuerliche, idiotische, renegatenhafte Idee ..., daß die Bauernbewegung reaktionär sei, daß der Kadett fortschrittlicher sei als der Trudowik ... [74]

Immer und immer wieder wiederholte Lenin: „Die russischen Sozialdemokraten haben immer die Notwendigkeit erkannt, die revolutionäre Seite der volkstümlerische Lehre und Tendenz herauszuholen und einzuverleiben.“ [75]

In Was tun? (1902) argumentierte Lenin, daß die revolutionären Marxisten auch nicht die positiven Errungenschaften der Volkstümler in bezug auf organisatorische Struktur übersehen:

... jene ausgezeichnete Organisation, die die Revolutionäre der Siebziger Jahre hatten ..., sollte uns als Vorbild dienen ... keine revolutionäre [Kampforganisation], falls sie wirklich an einen ernsten Kampf [gegen den Zarismus] denkt, kann ohne eine solche Organisation auskommen ... Und nur das gröbste Nichtverstehen des Marxismus (oder sein „Verstehen“ im Geiste des „Struvismus“) konnte zu der Ansicht führen, daß die Entstehung einer spontanen proletarischen Massenbewegung uns der Pflicht enthebe, eine ebenso gute, ja noch unvergleichlich bessere Organisation von Revolutionären zu schaffen, als die „Semlja i Wolja“ sie hatte. [76]

Wir werden Plechanow wieder begegnen, zuerst als Lenins Lehrer, dann als seinen älteren Kollegen und schließlich als seinen unversöhnlichen Gegner. Ganz vom Anfang an zeigte der Schüler jedoch seine Unabhängigkeit von seinem Lehrer, auch als er die Argumentation für den russischen Marxismus gegen die Volkstümelei wiederholte und neu argumentierte.

 

 

In Erwartung

Es ist nicht sehr interessant, nach dem Einfluß von Plechanow oder irgend jemandem anderen auf den jungen Uljanow zu suchen, da was zählt, nicht das Geborgte ist, sondern was aus dem Geborgten gemacht wurde, und das hängt von den Erfahrungen und der Geschichte des Borgenden ab und von seinen Handlungen im Kampf.

Wladimir Uljanows Bruch mit der Volkstümelei, seine ursprüngliche Position im Verhältnis zum Liberalismus Struves und seine dialektische Haltung, d.h. seine kritische Unterstützung der Volkstümelei insofern, daß letztere eine revolutionär-demokratische Bewegung war, sind für seine ganze künftige Entwicklung grundsätzlich. Während seiner gesamten Karriere betrachtete Lenin das Verhältnis der revolutionären Sozialisten mit drei gesellschaftliche Klassen: mit dem Proletariat, mit der Bauernschaft und mit der Bourgeoisie, als grundsätzlich.

Lenins Äußerungen dieser Periode enthalten schon in embryonischer Form die zentralen Themen seiner weiteren theoretischen Entwicklung: die rücksichtslose Opposition gegen die liberale Bourgeoisie, die Hegemonie des Proletariats über die Bauernschaft und das Bündnis des Proletariats der industriellen Länder mit der Nationalbefreiungsbewegung in den Kolonien, die zum großen Teil eine Bauernbewegung ist. Da sie kleinbürgerlich ist, schwankt die Bauernschaft zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie; sie ist revolutionäre insofern, daß sie den Feudalismus und den Imperialismus bekämpft, und reaktionär insofern, daß seid sich am klein Privateigentum festklammert. Das Proletariat muß sich sowohl mit der Bauernschaft verbünden als auch von ihr getrennt bleiben. Es muß sie führen, ohne sich mit ihr zusammenzuschmelzen, ohne ihren Schwankungen zu folgen. In Lenins Haltung wird der aus dem Westen gebrachten Marxismus mit den russischen nationalen Tradition des von den Volkstümlern geführten revolutionären Kampfs zusammengeschmolzen.

Marx schrieb: „Die Philosophen haben bisher die Welt interpretiert, es kommt darauf, sie zu ändern.“ Lenin brachte zu dieser Aufgabe nicht nur seine eigene Leidenschaft und Aktivismus, sondern auch die heldenhaften Traditionen der Volkstümler. Einer der großen Helden der Volkstümelei, Scheljabow (der das Attentat auf Alexander II. organisierte) erklärte: „Die Geschichte bewegt sich zu langsam; sie braucht einen Anstoß“; Lenin war bereit, gerade das zu machen. Lenin vertrat das russische Proletariat, eine jugendliche Klasse, die sehr nah an der Bauernschaft stand, nicht durch die Fesseln der Routine und des Konservatismus gehindert wurde, kühn und wagemutig, da außer ihm es Millionen andere Menschen –Bauern – gab, die auch unterdrückt, verhungert, ohne Rechte, gedemütigt waren. Wenn das Proletariat um die Demokratie kämpft, erkämpft es nicht bloß seine eigenen Klasseninteressen, sondern kämpft auch als Vertreter der gesamte Masse des Volkes, vor allem der Bauernschaft. Statt des einzelnen Volkstümler, „der unter das Volk geht“, hat man das Proletariat als Führer der ländlichen Gebieten. Aber dabei nehmen wir die Geschichte des vorliegenden Buchs vorweg.

 

 

Fußnoten

1*. Tschaikowsky endete sein leben als Chef der Weißen Regierung von Archangelsk nach der Oktoberrevolution und starb als Emigrant in Frankreich.

2*. In der 1905er Ausgabe von Unsere Meinungsverschiedenheiten gibt Plechanow folgende lahme Erklärung der obenzitierten 1884 gemachten Äußerung über den Terrorismus: „Auf der Basis dieser Passage wurde später gesagt, daß die Gruppe Befreiung der Arbeit mit dem ‚Terrorismus‘ sympathisiere. Aber solange sie bestanden hat, hat diese Gruppe gehalten, daß der Terrorismus für die Arbeiter unpraktisch ist; es war sicherlich zu jener Zeit nutzlos, gegen die terroristische Aktivität der Intelligenz auszusprechen, die daran wie an einen Gott glaubten.“ [49]

3*. Russkoje Bogatswo war eine führende Zeitschrift der Ökonomie, Soziologie, Philosophie und der Literatur, die von der prominentesten altgedienten Theoretiker der Volkstümler, N.K. Michailowski, herausgegeben wurde.

 

 

Anmerkungen

1. Lenin, Werke, Bd.5, S.39-40.

2. I. Lalajanz „Über meine Begegnungen mit W.I. Lenin in der Periode 1893-1900“, Proletarskaja Revoljutsija, Nr.1 (84), 1949, S.49.

3. A. Elisarowa. „Erinnerungen an Alexander Iljitsch Uljanow“, Proletarskaja Revoljutsija, Nr.2-3, 1927, S.287.

4. P.P. Pospelow u.a., Wladimir Iljitsch Lenin, Biografija, Moskau 1963, S.9.

5. E. Foss, „Das erste Gefängnis von W.I. Lenin“, Ogonek, Nr.11, 1926, S.5.

6. W. Adoratski, „Nach 18 Jahren (Begegnung mit Lenin)“, Proletarskaja Revoljutsija, 3 (26), 1924, S.94.

7. Lenin, Werke, Bd.5, S.538–9.

8. G.M. Krshishanowski, O Wladimire Iljitschje, Moskau 1924, S.13-4.

9. N. Walentinow, Wstretschi s Leninism, New York 1953, S.106.

10. L. Trotzki, Der junge Lenin, Frankfurt a.M. 1971, S.209.

11. ebenda, S.139.

12. Lenin, Werke, Ergänzungsbd. 1917-1923, S.469.

13. ebenda, S.478.

14. I. Deutscher, Lenin’s Childhood, London 1970, S.52-3.

15. F. Venturi, Roots of Revolution, London 1960, S.34-5.

16. ebenda, S.129.

17. ebenda, S.136.

18. ebenda, S.159.

19. ebenda, S.505.

20. ebenda, S.503.

21. G.V. Plekhanov, Selected Philosophical Works, Bd.1, Moskau 1961, S.182.

22. B.A. Tschagin, Proniknowenje idej marksisma w Rossiju, Leningrad 1961, S.10.

23. A. Walicki, The Controversy over Capitalism, London 1969, S.63.

24. Karl Marx u. Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in Marx u. Engels, Ausgewählte Werke, Bd.I, Berlin 1986, S.447–8.

25. Engels an Georgi Walentinowitsch Plechanow, 26. Februar 1895, in Marx u. Engels, Werke, Bd.39, Berlin 1968, S.417.

26. Walicki, a.a.O., S.26.

27. zit. in Plekhanov, Selected Philosophical Works, Bd.1, S.439.

28. Trotzki, Der junge Lenin, S.63-4.

29. Rosa Luxemburg, „Einleitung [zu Wladimir Korolenko: Die Geschichte meines Zeitgenossen]“, in Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Bd.4, Berlin 1987, S.326.

30. N.K. Katarajew, Narodnitscheskaja ekonomitscheskaja literatura, Moskau 1958, S.631.

31.W. Iwanmow-Rasumnik, Istorija russkoj obschtschestwennoj kysl, St. Petersburg 1908, Bd.2, S.335.

32. S.H. Baron, Plekhanov, London 1963.

33. Venturi, a.a.O., S.511.

34. ebenda, S.481.

35. ebenda, S.516.

36. M.N. Pokrovsky, Brief History of Russia, Bd.1, London 1933, S.220

37. G.W. Plechanow, Sotschinenija, Bd.1, Moskau 1923, S.67ff.

38. Plekhanov, Selected Philosophical Works, Bd.1, S.844.

39. Plekhanov, „Our Differences“, ebenda, S.384.

40. Pokrovsky, Brief History of Russia, Bd.1, S.230.

41. Plekhanov, Selected Philosophical Works, S.451.

42. ebenda, S.224.

43. ebenda, S.266.

44. ebenda, S.120.

45. ebenda, S.452.

46. ebenda, S.138.

47. ebenda, S.390.

48. ebenda, S.391-2.

49. ebenda, S.392.

50. ebenda, S.402-3.

51. Trotsky, The Young Lenin, S.189-90.

52. Baron, a.a.O., S.126.

53. L. Martow, Raswitje krupnoj promischlennosti i rabotscheje dwischenje w Rossji, Petersburg-Moskau 1923, S.19.

54. M. Gordon, Workers before and after Lenin, New York 1941, S.18.

55. Lenin, Werke, Bd.18, S.288.

56. s. N. Krupskaja, Erinnerungen an Lenin, Berlin 1959, S.13.

57. E. Lampert, Sons against Father, Oxford 1965, S.173.

58. D. Geier, Lenin in der russischen Sozialdemokratie, Köln-Graz 1962, S.7-8. (übersetzt aus dem Englischen)

59. Baron, a.a.O., S.144.

60. G.W. Plechanow, Isbrannje filosofskije projswedenija, Bd.4, Moskau 1956, S.113-4.

61. ebenda, Bd.1, S.392.

62. ebenda, Bd.4, S.86.

63. A. Gramsci, Prison Notebooks, London 1971, S.387.

64. s. Plekhanov, Selected Philosophical Works, Bd.1, S.789.

65. Lenin, Werke, Bd.1, S.344.

66. ebenda, S.407.

67. ebenda, S.520.

68. ebenda, S.414.

69. ebenda.

70. Perepiska G.W. Plechanowa i P.B. Akselroda, Bd.1, Moskau 1925, S.271.

71. Plekhanov, Selected Philosophical Works, Bd.1, S.116-7.

72. Lenin, Werke, Bd.1, S.524-5.

73. ebenda, Bd.18, S.359.

74. ebenda, Bd.16, S.112-3.

75. Lenin, Works, Bd.4, S.246.

76. Lenin, Werke, Bd.1, S.491-2.

 


Zuletzt aktualisiert am 17.6.2001