Paul N. Siegel

 

Die Demütigen und die Militanten

 

Teil I: Die marxistische Kritik an der Religion

 

Kapitel 2
Die marxistische Ansicht über Religion

 

Der dialektische Materialismus und seine Kritik des französischen Materialismus

„Der Materialismus des letzten Jahrhunderts“, sagte Engels,

war überwiegend mechanisch, weil zu jener Zeit von allen Naturwissenschaften nur die Mechanik, und tatsächlich nur die Mechanik der Festkörper – himmlisch sowie terrestrisch –, kurz gesagt, die Mechanik der Schwerkraft zu einem Schluß gekommen war ... Diese ausschließliche Anwendung der Maßstäbe der Mechanik auf Prozessen einer chemischen oder organischen Natur – in denen zwar Prozesse der Mechanikgesetze auch gelten, aber in den Hintergrund durch andere höhere Gesetze gedrängt werden – bildet die erste bestimmte, aber zur Zeit unvermeidlichen Beschränkung des klassischen französischen Materialismus. die zweite bestimmte Beschränkung dieses Materialismus lag in seiner Unfähigkeit, das Universum als Prozeß zu verstehen, als Materie, die eine ununterbrochene historische Entwicklung erlebte. Die Natur, so viel war bekannt, war ständig in Bewegung. aber nach den Vorstellung der Zeit drehte diese Bewegung auch ewig in einen Kreis und bewegte sich nie vom Punkt; sie verursachte die gleichen Ergebnisse immer wieder ... Die gleiche unhistorische Auffassung herrschte auch im Bereich der Geschichte ... So wurde eine rationale Einsicht in die großen historischen Zusammenhänge unmöglich gemacht und die Geschichte diente bestens als Sammlungen von Beispielen und Erläuterungen, die Philosophen benutzen konnte. (On Religion, S.231-3.)

Für den dialektischen Materialismus ist andererseits die Änderung nicht bloß dauernd wiederholend. „Die Bewegung der Materie ist nicht bloß rohe mechanische Bewegung, die bloße Platzänderung, sie ist die Hitze und das Licht, die elektrische und magnetische Spannung, die chemische Kombination und Dissoziation, das leben und schließlich das Bewußtsein.“ [1] (On Religion, S.171) Diese sind verschiedene Formen der Bewegung.

Die Materie wird nicht nur von außen beeinflußt; sie wird von inneren gegensätzlichen Kräften getrieben. Im Kampf zwischen diesen inneren Kräften verursacht eine allmähliche Akkumulation zu einem gegebenen Punkt eine plötzliche Verwandlung. Geheiztes Wasser verwandelt sich bei einer bestimmten Temperatur zu Dampf; gekühltes Wasser verwandelt sich ebenso bei einer genauen Temperatur zu Eis. Der Zusatz eines einzigen Kristalls zu einer übersättigten Lösung wird eine Präzipitat verursachen. In der biologischen Evolution führt eine Akkumulation kleiner Änderungen zur Entstehung einer neuen Spezies. [2]

Das Sonnensystem, die Erde, die Pflanzen und Tiere darauf, die menschlichen Gesellschaften entstanden alle in dieser Weise. Alles ist im Prozeß der Evolution, des Entstehens und des Zuendegehens. Die Hauptmerkmale dieses Prozesses lassen sich allgemein durch eine Reihe Gesetze zusammenfassen, die zuerst von Hegel formuliert wurden: das gegenseitige und der Kampf der Gegensätze, die Entstehung durch Widersprüche, die Wandlung der Quantität in die Qualität und umgekehrt, „Brüche der Allmählichkeit“, neue Entwicklungsstufen, die in einer anderen und höheren Form etwas enthalten, das zerstört worden ist („die Negation der Negation“).

Diderot sah die evolutionären Ansichten des nächsten Jahrhunderts gewissermaßen voraus. [3] Aber weil andere Materialisten des 18. Jahrhunderts das Universum als Maschine betrachteten, die ihre Bewegungen wiederholt, waren sie Deisten: Eine Maschine braucht einen „ersten Anstoß“ von einer bewegenden Kraft, um sie in Gang zu bringen. Während der Gott der Bibel ein morgenländischer Monarch sei, der über das Universum mit der Macht und Weisheit herrschte, womit Salomo über sein reich geherrscht habe, war der Gott der Deisten ein britischer konstitutioneller Monarch, der nicht die Gesetze der Natur störte und, da er das Universum geschaffen habe, ihm vorstünde, aber nicht herrschte. Aber was den Marxismus angeht, bemerkte Engels: „In unserer Auffassung des Universums gibt es absolut keinen Platz für entweder einen Schöpfer oder einen Herrscher; und von einem Höchsten Wesen zu sprechen, der von der gesamten bestehenden Welt ausgeschlossen ist, heißt ein Widerspruch an sich.“ (On Religion, S.295)

So auch betrachteten die Materialisten des 18. Jahrhunderts die menschliche Gesellschaft nicht als etwas, das sich gesetzesgemäß nach den eigenen inneren Kräften entwickelte, sondern als etwas, worauf, überlegene Individuen wirkten, die ihre Vorstellungen und ihren Willen auf die unbeweglichen Massen der Bevölkerung ausübten. Sie neigten dazu, die Religion als eine Verschwörung der Könige, der Priester und der Aristokraten zu betrachten, „um das Volk in Ketten in den Schlaf zu wiegen“, wie sie es ausdrückten [4], eine Theorie, die der Marxismus, wie wir sehen werden, als eine übertriebene Vereinfachung betrachtet. Gleichzeitig fürchteten sie aus einer elitären Haltung heraus, was geschehen würde, wenn nicht nur die Ausgebildeten, sondern auch die Massen die Vorstellung des christlichen Gottes ablehnen sollten. Das war der Punkt bei der Voltaireschen Witzelei: „Existierte Gott nicht, wäre es notwendig, ihn zu erfinden.“

„Im Bereich der Geschichte“, sagte Engels (On Religion, S.256), „wird der alte Materialismus sich untreu, weil er die da wirkenden ideellen Triebkräfte als grundsätzliche Kräfte annimmt, anstatt zu untersuchen, was dahinter steht, was die Triebkräfte dieser Triebkräfte sind. Kurz gesagt, nimmt er die Vorstellungen, wodurch Menschen ihre Tätigkeit erklären, als die Triebkraft der Geschichte an, anstatt die materiellen Gründe zu suchen, die Änderungen ihrer Ansichten verursachen.“

Der Marxismus behauptet, daß, genau wie der Umgang mit der Umwelt in Tieren zur evolutionären Entwicklung führt, so mit der Menschheit der Arbeitsprozeß zur Entwicklung von Werkzeugen, den künstlichen Organen der Menschheit führt. Die Entwicklung der Produktivkräfte, worin die Produktionsmittel – die Gesamtheit der Werkzeuge gesellschaftlich organisiert – ein wesentliches Element sind, ist die dynamische Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung. Verschiedene gesellschaftlichen Klassen stehen in unterschiedlichen Verhältnissen zur Produktionsweise, den Produktivkräften plus den Produktionsverhältnissen. Die weitere Entwicklung der Produktionsmittel, die den Urkollektivismus auflöste und Klassentrennung einführte, verursacht die Entstehung neuer sozialer Klassen, die nach einer allmählichen ökonomischen Entwicklung eine plötzliche Wandlung in der Gesellschaft, eine Revolution bewirken.

Jede herrschende Klasse, die Klasse, der die Produktionsmittel gehören, baut eine „Ideologie“ auf, ein Vorstellungssystem, das ihre Einstellung zum Leben ausdrückt, das ihre Zeit beherrscht. Andere Klassen haben andere Interessen und Vorstellungen, aber bis sie revolutionär werden, neigen sie normalerweise dazu, die herrschende Ideologie zu akzeptieren oder mindesten sich daran anzupassen.

Eine neue soziale Klasse entsteht nicht mit einer vorgefertigten Weltanschauung, die ihre wirklichen Umstände und Zusammensetzung widerspiegelt. Ganz umgekehrt. Am Anfang mag diese angehende Struktur ein Bild der gesellschaftlichen Umstände haben, das ebenso verzerrt und unzulänglich ist wie das, was ein Kinde von der Welt um sich hat. die Kennzeichnenden Vorstellungen einer Klasse müssen während ihrer Tätigkeit und Evolution von Spezialisten dieser Branche entwickelt werden. [5]

Diese „Spezialisten“, die Ideologen der Klasse verallgemeinern die kennzeichnenden Vorstellungen der Klasse, die die neuen aus den neuen sozialen Zusammenhängen entstehenden Bedürfnisse und Interessen ausdrücken, und formen sie zu einer neuen Weltanschauung.

Im Aufbau einer Ideologie benutzen die Ideologen einer Klasse häufig die Ideen der Vergangenheit nach dem gleichen Prinzip der Energiesparsamkeit, das alle Produktion kennzeichnet. Der Prozeß des Aufbaus einer Ideologie ist komplex, indem er die Wechselwirkung zwischen die verschiedenen Bestandteile einer Klasse und ihren Ideologen umfaßt; er ist nicht völlig bewußt. Obwohl eine Ideologie als eine Rationalisierung der gesellschaftlichen Stellung und der materiellen Interessen einer Klasse funktioniert, ist sie nicht einfach Heuchelei, sondern wird aufrichtig von ihren Mitgliedern als die Wahrheit geglaubt. Zum Beispiel, die Puritaner unter der Bourgeoisie am Ende des 16. Jahrhunderts, die oft von ihren Gegnern als Heuchler verurteilt wurden, hatten im allgemeinen die aufrichtige Kraft ihres Glaubens, die es ihnen ermöglichte, Anhänger zu gewinnen und fünfzig Jahre später eine Revolution zu führen.

Auf den „ökonomischen Grundlagen“ oder der „materiellen Basis“, den Produktivkräften und der Gesamtsumme der Verhältnisse, denen die Menschen beitreten, um die gesellschaftliche Produktion durchzuführen, entwickelt sich dann ein von den verschiedenen Vorstellungssystemen und Kultureinrichtungen gebildeter „ideologischer Überbau“. Diese Metapher „Basis/Überbau“ soll man nicht so auffassen, daß sie auf ein statisches oder einseitiges Verhältnis zwischen den beiden andeutet. Es gibt eine ständige Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Aspekten einer gegebenen sozioökonomischen Ordnung. Im „ideologischen Überbau“ wirkt die Religion auf die Literatur, die Kunst, die politische Theorie, die Philosophie und andere Arten ideologischer Tätigkeit und umgekehrt. Aber es gibt auch eine Wirkung der ideologischen Kräfte auf die ökonomische Basis; die Ideen, die die Menschen besitzen, spielen eine Rolle in der Gestaltung der Gesellschaft, wie die puritanische Vorstellungen der englischen revolutionären Bourgeoisie während des 17. Jahrhunderts es machten. Die Ideologie wird zu einer Kraft im Klassenkampf, genau wie das Selbstbildnis eines Individuums, obwohl falsch, auf seine Tätigkeit wirkt.

Ideologische Aktivitäten sind aber keine unabhängigen Kräfte. Obwohl die Menschen, die sich an jeder Form der ideologischen Tätigkeit beteiligen, nach den in dieser Tätigkeit entwickelten Traditionen und besonderen Anliegen arbeiten, sind diese Aktivitäten – auch die Religion, die „am weitesten vom materiellen Leben steht und anscheinend von ihm am fremdesten sind“ (On Religion, S.263) – nur relativ unabhängig. All diese Faktoren sind verschiedene Erscheinungen des vereinheitlichten Prozesses der sozialen Entwicklung, aus dem sie entstanden sind. Inmitten aller Bewegungen ist die stärkste auf sie wirkende Bewegung die unterliegende ökonomische Bewegung. Diese unterliegende Bewegung „setzt sich immer schließlich durch“ (Reader, S.202). [6]

 

 

Die marxistische Analyse der Ursprünge der Religion

Der Marxismus akzeptiert den von Epikurus abgeleiteten Spruch der frühen Materialisten, daß die Religion aus der Ehrfurcht und der Angst des Wilden vor der unerklärlichen Natur entstand. aber indem er die spätere vergleichende Mythologie und seine eigene soziologische Einsicht benutzt, hat er diese Bemerkung näher ausgeführt und erweitert. „Alle Religion ... ist nichts anderes als die phantastische Widerspiegelung im Verstand der Menschen derjenigen äußeren Kräfte, die ihr tägliches Leben steuern“, sagt Engels (On Religion, S.147), „eine Widerspiegelung, worin die irdischen [terrestrischen] Kräfte die Gestalt der himmlischen Kräfte annehmen. An den Anfängen der Geschichte waren es die Kräfte der Natur, die zuerst so widerspiegelt wurden und die im Laufe der weiteren Entwicklung die äußerst vielfältigen und unterschiedlichen Personifikationen unter verschiedenen Völkern erlebte.“

Indem er die Ergebnisse von Edward Tylor, dem Gründer der modernen Anthropologie benutzte, lenkte Engels auch die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß die Vorstellung der unsterblichen Seele eines Menschen aus den Träumen der primitiven Völker kam, die glaubten, daß während des Schlafs die Seele den Körper verlasse und die Erfahrungen habe, von denen ein Mensch träumt. Sie nahmen an, diese Seele würde den Körper nach dem Tode wie im Schlaf lassen. Was Engels nicht wußte und was die moderne Anthropologie jetzt bewiesen hat, ist, daß diese Seele, nachdem sie den Körper beim Tode gelassen habe, allgemein gefürchtet wurde, da sie übernatürliche Kräfte habe. [7] Einige primitive Völker haben Angst vor Kameras, weil sie glauben, Seelen würden dadurch auf Photos gefangen genommen. Auch in zivilisierten Ländern heute stellen Mediums als Beweise für ihre Fähigkeit, die Geister der Toten aufzurufen, Photos vor, die angeblich die Erscheinungen dieser Geister zeigen, und Bücher über Poltergeister wie Der Greuel von Amityville (was heißt dieser Film auf Deutsch?) gewinnen genügend leichtgläubige Leser, um Bestseller zu werden.

Primitive Völker hielten die Geister der Toten in solcher Angst und Ehrfurcht, daß Vorfahren und Außergewöhnliche Menschen vergöttert wurden. [8] Heutige Anthropologen und Studenten der vergleichenden Religion sind zum größten Teil darüber einverstanden, daß Naturkräfte sowie die Geister der Toten die Ursprünge der Götter waren.

In der animistischen Phase der Kultur dachte man, die ganze Natur sei von Geistern gefüllt ... Der Ursprung einiger Geister und Dämonen als Ahnen wurde mittlerweile vergessen, während andere für eine längere Zeit in Erinnerung blieben ... Der Polytheismus scheint auch aus dem Animismus zu stammen. Je wichtiger der Gegenstand im Leben eines Volks war, desto größer betrachtete man seine göttliche Seele ... Ein Berg in Midian (der Berg Sinai) trug einen semitischen Gott, dessen Spiritualisierung Urheber mindestens dreier großen Religionen war. Unter den Griechen, den Römern, den Indoariern, den Teutonen und vielen anderen Stammesgruppen organisierte die Phantasie im Laufe der Zeit den Polytheismus zu einem System und maß den Göttern ein soziales Leben bei. [9]

Die Religion stammt deshalb vom Animismus der primitiven Völker, die sich nicht von den anderen Sachen der Natur unterscheiden und ihnen Geister schenken, die die Gedanken und Wünsche von Menschen haben. die Magie ist das Mittel, womit der Wilde versucht, diese Geister zu steuern entweder dadurch, daß er sie dazu bringt, seinem Beispiel zu folgen, indem er Wasser vom Mund spritzt, um das Regen zu verursachen, oder dadurch, daß er sich ihre Kräfte überträgt, indem er einen Tigerzahn trägt, um die Kraft des Tigers zu gewinnen.

Die Religion entstand mit dem Fortschritt von der Wildheit zur Barbarei, als der Übergang vom Sammeln der Nahrungsmittel zur Landwirtschaft eine Klassengesellschaft und ein unproduktives Priestertum mit sich brachte, genau wie auf einer höheren Stufe der Entwicklung der Produktion die kommerziellen Zentren der griechischen Zivilisation die Geburt der Philosophie erlebten und auf einer noch höheren Stufe die industrielle Gesellschaft des 17. Jahrhunderts die Geburt der modernen experimentellen Naturwissenschaft erlebte. Aber das Alte lebt weiter inmitten des Fortschritts des Neuen. Die Religion geht weiter, obwohl die Wissenschaft fortschreitet, und sie enthielt Elemente der Magie.

Also dürfen Juden und Moslems nicht Schweinefleisch essen und Hindus dürfen nicht Kühe töten, genau wie die Wilden Tabus haben, die ihnen verbieten, Gegenstände zu berühren, die von übernatürlichen Wesen oder Kräften bewohnt seien. Die Ikone, das Bildnis eines Heiligen oder einer anderen heiligen Persönlichkeit, das selbst heilig ist, ähnelt dem Fetisch des Wilden. Gebete, Weihwasser und priesterliche Segnungen ähneln den Formeln, Zaubersprüchen und Ritualien der Magie. Die Doktrin der Transsubstantiation von der Katholischen Kirche, die behauptet, daß im Abendsmahlritus das Brot und Wein wirklich zum Körper und Blut Christi verwandelt würden, obwohl sie ihre äußere Erscheinungsformen behalten, ähnelt dem Kannibalismus der primitiven Völker, die glauben, daß, wenn man den Fleisch eines Menschen verzehre, man seine Kraft und Mut bekomme. Das „Auflegen der Hände“ bei verschiedenen protestantischen Sekten ist ein quasimagisches Mittel zur Linderung des Schmerzes – eine Macht, die früher auf Könige und Heilige beschränkt war, einschließlich dem nicht besonders heiligen Karl II. von England, dessen „königliche Berührung“ die Skrofulose heilen können sollte.

Die Magie sowie die Religion haben ihren Ursprung in der menschlichen Mangel an Kontrolle über die Natur. Die Religion widerspiegelt aber auch die menschliche Mangel an Kontrolle über die sozialen Kräfte, die aus der Klassenherrschaft entstanden. Das wurde zuerst von Engels betrachtet, der darauf hinwies, daß die Studenten der vergleichenden Mythologie, indem sie die Götter als imaginäre Widerspiegelung der Kräfte der Natur beachteten, einen immer wichtigeren Faktor in der Evolution der Religion übersahen. Das war ihre Verbindung mit und Bestimmung von der Verlust der Kontrolle über die Kräfte der Gesellschaft mit dem Anbruch der Klassenunterschiede und -herrschaft.

Seite an Seite mit den Kräften der Natur fangen soziale Kräfte damit an, tätig zu sein – Kräfte, die dem Menschen als gleich fremd und zerrst gleich unerklärlich begegnen, die ihn mit der gleichen offenbar natürlichen Notwendigkeit wie die Kräfte der Natur selbst beherrschen ... Auf einer noch weiteren Stufe der Evolution werden alle natürlichen und sozialen Merkmale der zahlreichen Götter dem einen allmächtigen Gott übertragen (On Religion, S.148).

Wie die „natürlichen und sozialen Merkmale der zahlreichen Götter“ dem Gott des Alten Testaments übertragen wurde, wird vor kurzem von einem Studenten der vergleichenden Religion, Weston La Bare, nahegelegt: „Der priesterliche Jehova selbst ist ein Synkretismus von Fruchtbarkeits- und Ortsdämonen, Feuer- und Vulkangöttern, mesopotamischem Himmelsgott, neolithischem Regenstier, Schaman-Ehemann [Medizinmann-Landwirt] und noch vielen anderen.“ [10]

 

 

Die marxistische Auffassung der Religion als Ideologie

Die marxistische Auffassung der Religion als Ideologie ist nicht gleich der Ansicht der französischen Materialisten über die Religion als Verschwörung der herrschenden Klasse. Das wurde nicht von Reinhold Niebuhr, einem der Hervorragenden Theologen unserer Zeit, verstanden, der in seiner Einführung zur Schocken-Ausgabe von Marx and Engels on Religion schreibt, Marx und Engels: „Verständnis der gesellschaftlich radikalen Bauern des 16. Jahrhunderts unter der religiösen Führung der Wiedertäufer, die besonders in Engels’ Artikel über den Bauernkrieg gezeigt wird, verständig sich nicht mit der Kernthese des Marxismus, die Religion sei eine Waffe, die immer von den bestehenden gesellschaftlichen Kräften benutzt wird.“ Die Funktion der Einführung eines Buchs besteht darin, dem Leser mit dem Autor des Buchs und seinen Ideen bekannt zu machen, so daß der Leser zum Buch besser orientiert kommt; kurz gesagt, sie soll einführen, nicht verleumden. [1*] Aber diese Behauptung, wie andere Behauptungen in der Niebuhrschen Einführung, womit wir uns später beschäftigen werden, führt den Leser bloß irre.

Niebuhrs Behauptung gilt für die Philosophen der Aufklärung über die Religion als Verschwörung. Das ist ein unhistorischer Ansatz zur Religion. Die Philosophen betrachteten richtig [zurecht] die Katholische Kirche ihrer Zeit als den Feind des Fortschritts und folglich hielten sie, daß die Religion sich ausschließlich um die Reaktion zu jeder Zeit und in jeder Hinsicht handele. Dies war eine zu einseitige Beurteilung der Erscheinung.

Im Einklang mit der Methode des dialektischen Materialismus gaben Marx und Engels eine viel konkrete Erklärung der Rolle der Religion durch alle Zeiten, die ihre widersprüchlichen Funktionen in Betracht zog. Obwohl die Hauptfunktion der Religion darin bestehe, repressive Einrichtungen zu heiligen [heiligzusprechen], weil sie daß Denken der Menschen über die Welt und die sie umgebende Gesellschaft dominierte, neigten rebellische Stimmungen und Bewegungen unter den Unterdrückten in vorbürgerlichen Zeiten – und auch danach – spontan dazu, eine religiöse Färbung und eine ketzerische Gesinnung anzunehmen. Die Zeile und Hoffnungen sozialer Agitatoren wurden durch traditionelle religiöse Vorstellungen ausgedrückt, die zu den Bedürfnissen und Forderungen der aufständischen Massen angepaßt wurden.

Es gibt überhaupt keinen Widerspruch, wie Niebuhr andeutet, zwischen der Beobachtung, das die Lehre der deutschen Wiedertäufer der sozial radikalen Bauernschaft diente, und der Auffassung, daß die Religion eine von den bestehenden sozialen Kräften verwendete Waffe ist: Die Religion – selbstverständlich in unterschiedlichen Formen – kann eine Waffe sein, die von gegensätzlichen Seiten benutzt wird. Neuinterpretationen religiöser Ideen haben tiefgreifende Änderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse begleitet, die heftige soziale Konflikte verursacht haben.

Eigentlich wurde das klar festgestellt, obwohl von Niebuhr gewissermaßen [beschränkt] ignoriert, in genau jeden Passage in Engels’ Buch Der Bauernkrieg in Deutschland, woraus Niebuhr seine Metapher von der Religion als Waffe nahm. Es gab drei gegeneinander kämpfenden Kräfte zu Luthers Zeit, sagt Engels, als er die sozialen Klassen in jedem Lager analysierte, „den konservativ-katholischen Lager“, „den Lager der bürgerlichen gemäßigten lutherischen Reformer“ und die „revolutionäre Partei“ des Münzers, des Führers der Wiedertäufer. (On Religion, S.103)

Luther hatte eine mächtige Waffe in die Hände der plebejischen Bewegung gestellt, indem er die Bibel übersetzt hatte. Durch die Bibel stellte er das feudalisierte Christentum seiner Zeit dem bescheidenen Christentum des 1. Jahrhunderts sowie die untergehende feudale Gesellschaft einem Bild einer Gesellschaft gegenüber, die nichts von der komplexen und künstlichen Hierarchie kannte. Die Bauern hatten häufigen Gebrauch von diesem Instrument gegen die Fürsten, den Adel und die Geistlichkeit gemacht. Jetzt wandte Luther es gegen sie, indem er aus der Bibel einen wirklichen Lobgesang zur gottbestimmten Obrigkeit herausholte, wie es kein Speichellecker der absolutistischen Monarchie jemals hätte erreichen können. (On Religion, S.108)

Noch betrachteten Marx und Engels die deutschen Wiedertäufer als besondere Ausnahme, wie Niebuhr andeutet. Hätte er nur das von ihm eingeführte Buch mit etwas Sorgfalt gelesen, hätte er bemerkt, sie betrachteten, daß rebellische Bewegungen der Unterdrückten ihre eigenen kennzeichnenden Form von den frühsten Tagen des Christentums nahmen. „Das Christentum war ursprünglich eine Bewegung der Unterdrückten: Er erschien zuerst als die Religion von Sklaven und befreiten Sklaven, von den alle Rechte entzogenen Menschen, von den von den Römern unterworfenen und zerstreuten Völkern.“ (ebenda, S.316) „Der revolutionäre widerstand gegen den Feudalismus dauerte durch das ganze Mittelalter. Er nahm die Gestalt des Mystizismus, der offenen Ketzerei oder des bewaffneten Aufstandes ... Die Ketzereien gaben einen Ausdruck teilweise ... für den Widerstand gegen den Feudalismus von den Städten, die über ihn hinaus entwickelt hatten (die Albigenser, Arnold von Brescia usw.) oder teilweise für offene Bauernaufstände (John Ball, der Ungarische Lehrer in der Picardie usw.).“ (ebenda, S.99) In diesen beiden Arten der mittelalterlichen Ketzerei „betrachten wir so früh wie das 12. Jahrhundert die Vorboten des großen Gegensatzes zwischen dem bürgerlichen und dem bäuerlich-plebejischen Widerstand, der zum Scheitern des Bürgerkriegs führte.“ (ebenda, S.100)

Zu jener Zeit waren die Plebejer die einzigen Klassen, die ... außerhalb der feudalen sowie der bürgerlichen Verbände standen. Sie hatten weder Privilegien noch Eigentum ... Das erklärt, warum auch dann die plebejische Opposition sich nicht darauf beschränken konnte, nur den Feudalismus und die privilegierten Bürger zu bekämpfen; warum mindestens in der Phantasie, ... sie die Einrichtungen, Ansichten und Vorstellungen in Frage stellte, die allen auf den Klassenantagonismen basierten Gesellschaft zugrunde liegen ... In dieser Hinsicht boten die chiliastischen Traumvisionen des Urchristentums einen passenden Anfangspunkt ... Dieser Ausfall über die Gegenwart sowie auch die Zukunft hinaus könnte nichts anderes als gewalttätig und phantastisch sein. (ebenda, S.102)

Die „chiliastischen Traumvisionen des Urchristentums“ – die Vorstellung der Wiederkunft Christi, die das tausendjährige Reich Gottes einführen würde – inspirierte also jahrhundertelang die Kämpfe der Armen und der Unterdrückten. Das wirft neues Licht auf den Marxschen Spruch: „Die Religion ist das Opium des Volkes.“ Dieser wird allgemein so verstanden, daß die Religion eine Droge [Betäubungsmittel] sei, die es den ermögliche, ihr Elend zu ertragen, indem sie sich in Träumen verlören, die ihnen die Fähigkeit entzögen, in den Aufstand zu treten. Das war, wie gesehen, die Auffassung der Philosophen der Aufklärung, und zweifellos war es ein großer Teil der Meinung von Marx, aber er hat auch mehr gemeint. Gerade vor seinem berühmten Satz steht der Satz: „Das religiöse Elend ist gleichzeitig der Ausdruck des wirklichen Elends und des Protests gegen das wirkliche Elend.“ (ebenda, S.42) Opiumträume können zum Protest und zum Kampf bewegen, stimulieren sowie betäuben. Das Opium ist aber nicht dem realistischen Erkennen dienlich und genau deswegen, weil der Kommunismus zur damaligen Zeit nicht erreichbar war, weil der Kampf dafür nur ein Vorgriff der Zukunft sein könnte, nahm das Verlangen danach die Form der Phantasie an.

Aber auch die revolutionäre englische Bourgeoisie des 17. Jahrhunderts benutzten die Religion – aber nicht in einer so „gewalttätigen und phantastischen“ Form –, um die „Selbsttäuschungen“ zu liefern, die die Anhänger der Revolution brauchten, um sich die bürgerlichen Beschränkungen des Inhalts ihres Kampfs zu verbergen und um ihren Enthusiasmus auf dem hohen Niveau der großen historischen Tragödie zu halten“. „Cromwell und das englische Volk borgten“ deshalb „Sprache, Leidenschaften und Illusionen vom Alten Testament für ihre bürgerliche Revolution.“ [11] Als das wirkliche Ziel erreicht worden war, als die bürgerliche Umwandlung der englischen Gesellschaft durchgesetzt worden war, ersetzte Locke Habakuk (das Buch des Alten Testaments, das vom Triumph der göttlichen Gerechtigkeit über das Übel handelt). [12]

Mit dem Aufstieg der Bourgeoisie kam die Entwicklung der Wissenschaft, was die Industrie forderte; der Kalvinismus des 17. Jahrhunderts, die revolutionären englischen Bourgeoisie ebnete den Weg zur Wissenschaft und die Wissenschaft und die Bourgeoisie gingen bald über die Religion hinaus.

Die Fahne der Religion wehte zum letzten Mal in England während des 17. Jahrhunderts und kaum fünfzig Jahre später erschien ungetarnt in Frankreich die neue Weltanschauung, die die klassische Anschauung der Bourgeoisie werden sollte, die juristische Weltanschauung. Sie war eine Säkularisierung der theologischen Anschauung. Daß Menschenrecht ersetzte das Dogma, das gottgewollte Recht, der Staat ersetzte die Kirche ... Und weil die Konkurrenz, die Grundform des Handels von freien Warenproduzenten der große Gleichmacher ist, wurde die Gleichheit vor dem Gesetz der Hauptschlachtruf der Bourgeoisie. (ebenda, S.270-1)

Die Vorstellung der „unveräußerlichen Rechte“ des Menschen, die die Phantasie der amerikanischen und französischen Revolutionäre beflügelte, war aber eine Rationalisierung der Bourgeoisie, genau wie der Puritanismus eine religiöse Rationalisierung der englischen Revolutionären gewesen war. „Der Verkauf und Kauf der Arbeitskraft ... ist eigentlich der wahre Garten Eden der angeborenen Rechte des Menschen. Da allein herrschen Freiheit, Gleichheit, Eigentum.“ [13] Angeblich schließen Kapital sowie Arbeiter einen Vertrag als eigenständige Herren, worin sie auf gleicher Basis das austauschen, was im Besitz des jeweiligen sei, das Geld und die Arbeit. Tatsächlich, weil der Arbeiter verhungern muß, wenn er seine Arbeitskraft nicht verkauft, ist er dazu gezwungen, sich ausbeuten zu lassen. Die Kapitalisten und die Arbeiter sind theoretisch vor dem Gesetz gleich, aber diese Gleichheit bekam ihr bestes Kommentar im berühmten Satz von Anatole France: „Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet es dem Reichen sowie dem Armen, unter Brücken zu schlafen, in den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“

Aber wenn es so ist, daß die Bourgeoisie in seiner Glanzzeit die Religion für eine säkulare Ideologie aufgab, kehrte sie während des 19. Jahrhunderts zur Religion zurück., obwohl sie nicht die alte Inbrunst aufbieten konnte. Die britische Bourgeoisie war von den Jakobinern und den Sanskulotten der Französischen Revolution erschrocken worden und schrieb die ganze unangenehme Sache der Verbreitung der Gottlosigkeit zu. „Bis 1795“, sagt Russell, „sahen fast alle Begüterten in England in jeder unbiblischen [geologischen] Doktrin einen Angriff auf das Eigentum und eine Bedrohung der Guillotine. Viele Jahre lang war die britische Meinung viel weniger liberal als vor der Revolution.“ [14]

Bald genug aber stand die englische Bourgeoisie nicht allein in der Annahme der Religion. Mit dem Wachstum des Sozialismus, sagt Engels, triumphierte „die britische Anständigkeit“ über „das freie Denken und die religiöse Laxheit des europäischen Bourgeois“.

Nichts blieb der französischen und deutschen [Bourgeoisie] als letzter Ausweg übrig, außer stillschweigend ihr freies Denken aufzugeben, wie ein Junge, wenn er langsam seekrank wird, stillschweigend die brennende Zigarre fallenläßt, die er großtuerisch an Bord brachte; einzeln wurden die Spötter fromm im äußeren Verhalten, sprachen mit Respekt von der Kirche, ihren Dogmen und Riten und richteten sich sogar nach den letzteren, insofern man es nicht vermeiden könnte ... Die Religion müsse am Leben für das Volk gehalten werden – das war das einsame [einzige] und letzte Mittel dafür, die Gesellschaft vor dem totalen Ruin zu retten. (ebenda, S.312-3)

Daß Engels recht hatte bei seiner Betrachtung, der europäische Bourgeois würde sich als Ergebnis des Wachstums des Sozialismus an die Religion wenden, wird von einem so hochangesehenen Historiker und einem so wohlwollenden Freund der Religion wie Arnold Toynbee bestätigt:

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kehrte ein Teil der französischen Bourgeoisie, die seit mindestens der Französischen Revolution antiklerikal [kirchenfeindlich], agnostisch oder atheistisch gewesen war, in mehr oder weniger zynischer Stimmung zu einem Bekenntnis der römisch-katholischen Orthodoxie, weil sie zum Glauben gekommen war, daß der tiefverwurzelte Konservatismus der Katholischen Kirche jetzt aus der Kirche ein Bollwerk des Privateigentums machte in einer Zeit, wo der Sozialismus auf dem Vormarsch war. [15]

So wurde die europäische Bourgeoisie, nachdem ihre fortschrittlichsten Teile die Droge Religion ablehnte, ihr „Dealer“. Die Ansicht der Denker der Aufklärung über die Religion als zynische Verschwörung der herrschenden Klasse war – obwohl „Dealer“ oft selber Drogensüchtige sind – zu dieser Zeit näher an die Realität als während der Aufklärung selbst.

Seit der Französischen Revolution ist aber die Religion, sagt Engels, als er von den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern sprach (seine Darstellung muß man modifizieren, wenn man über die hauptsächlich von Bauern bevölkerten Länder an der Peripherie des Weltkapitalismus spricht [16]), „unfähig dazu, jeder fortschrittlichen Klasse als ideologisches Gewand ihrer Hoffnungen zu dienen“. (ebenda, S.266.) Die Arbeiterklasse braucht weder die Illusionen der religiösen Ideologie noch jeder anderen Art der Ideologie, um ihre Revolution zu machen. Marx’ materialistischer Begriff der Geschichte, die Weltanschauung der politisch bewußten Arbeiter hat eigentlich dazu gedient, solche Illusionen zu zerstreuen, indem er zum ersten Mal eine konsequente Übereinstimmung zwischen den Zielen einer revolutionären Klasse und ihrer allgemeinen Anschauung frei von religiöser und anderer ideologischer Verwirrung gebracht hat.

 

 

Der Marxismus und das modernistische Christentum

Unter den religiösen Illusionen, die der marxistische Materialismus zerstreut, sind die des modernistischen Christentums, einer Modifizierung des früheren von den französischen Materialisten angegriffenen Christentums.

Als Ergebnis des Fortschritts der Wissenschaft mußten Christen nach und nach das aufgeben, das als wesentliche Elemente ihres Glaubens betrachtet worden waren. Der Krieg zwischen der Wissenschaft und der Religion fand während des 16. und 17. Jahrhunderts auf der Front der Astronomie statt, und während des 19. Jahrhunderts auf den Fronten der Geologie und der Biologie. Der Kampf auf diesen Fronten war heftig, aber die aufeinanderfolgenden Rückzüge der Christen ermöglichte es gläubigen Wissenschaftlern, an der Religion ihrer Zeit festzuhalten, als diese Religion modifiziert wurde. Heute, wie zu den meisten Zeiten der letzten drei Hundert Jahre wird gesagt, die Wissenschaft und die Religion hätten den Frieden gestiftet [17], obwohl protestantische Fundamentalisten und einige katholische Theologen immer noch ein Nachhutsgefecht kämpfen. Wissenschaftler auf solchen Fronten wie der Biochemie und der Psychologie, wo es um Sachen wie den Ursprung des Lebens und die Unzertrennlichkeit des Geistes und des Körpers geht, ringen aber Gebiete der Theologie weiter ab.

Als er den während seiner Zeit stattfindenden Prozeß betrachtete, bemerkte Engels ironisch:

Nirgendwo wird Gott schlechter behandelt als von den Naturwissenschaftlern, die an ihn glauben ... Eine Festung nach dem anderen kapituliert vor dem Marsch der Wissenschaft, bis schließlich das ganze Reich der Natur für die Wissenschaft erobert wird und es keinen Platz darin für den Schöpfer gibt ... Wie weit entfernt vom alten Gott – dem Schöpfer des Himmels und der Erde, dem Bewahrer aller –, ohne den kein Haar vom Kopf fallen darf! (ebenda, S.192-3)

Genau wie Heinrich IV. von Navarra über seine Bekehrung zum Katholizismus, um den Thron zu gewinnen, sagte: „Paris ist einer Messe wert“, so kann der heutige Theologe sagen: „Die Bewahrung der Kirche ist der Opferung des alten Gottes wert.“

Die Religion hat sich nicht nur vor dem Angriff der Naturwissenschaften zurückgezogen; sie hat es auch vor dem Fortschritt der philologischen Forschung der Bibel gemacht. Indem sie Methoden angewandt haben, die andere Literaturwissenschaftler mit anderen Texten angewandt haben, haben Bibelforscher gezeigt, die Bibel wurde über eine Periode von mehr als vierzehn Jahrhunderte geschrieben, die frühsten Teile datieren zurück zu einer Zeit vor 1200 v.Chr., die letzten sind in der Mitte des zweiten Jahrhunderts n.Chr. geschrieben worden. Die ersten fünf Bücher des Alten Testaments, die dem Moses zugeschrieben worden waren, wurden tatsächlich von mehreren Menschen zu verschiedenen Zeiten in einer Reihenfolge geschrieben worden, die nicht der Reihenfolge in der Bibel gleich ist. So schrieben mindestens drei Menschen das 1. Mose, dessen ersten Kapitel einige Jahrhunderte nach dem größten teil des zweiten Kapitels geschrieben wurde. So auch fand man heraus, daß die Evangelien, wovon man glaubte, sie seien Augenzeugenberichte der Jünger Christi, Sammlungen einer mündlichen Tradition sind, die sich über eine Zeitlang angesammelt hatten. [18]

Liberale Theologen haben diese Ergebnisse akzeptiert, betrachten aber weiter die Bibel als in irgendwelchem Sinne das Wort Gottes, obwohl sie nicht eine direkte Mitteilung von Moses sei, der sie direkt von Jehova bekommen hätte, oder eine Schilderung der Ereignisse von den Jüngern Christi, die sie miterlebt hätten. Diese Art liberaler Theologie gab es auch zur Zeit von Marx und Engels. Engels spricht von „jener freiheitlichen Kritik“ der Bibel, „die großen Wert darauf legt, daß sie objektiv und durchgreifend sei, aber gleichzeitig christlich. die Bücher würden nicht ganz vom Heiligen Geist enthüllt, aber sie seien Enthüllungen der Gottheit durch den Heiligen Geist der Menschheit usw.“ (ebenda, S.205)

Typisch für diesen Liberalismus ist ein Eintrag über die Bibel vom Theologen Sanday in der Encyclopedia of Religion and Ethics. „Angenommen, daß man eine spirituelle Interpretation des Universums hat“, schreibt Sanday,

die voraussetzt, hinter der Welt der Erscheinungen gebe es einen Höchsten Guts, der sie erschaffen habe, hat es einen weitverbreiteten Glauben gegeben, dieser Geist wolle gekannt werden und habe sich veranlaßt, vom Intelligentesten seiner Schöpfungen bekannt zu werden ... Die Vorstellung, daß dieser Geist dem Geist [der Menschen] „spreche“, ist natürlich eine Metapher ... Aber wenn wir uns vorstellen, Gott habe dem Menschen „gesprochen“, wie sollte er sprechen? ... Es ist sicherlich sehr glaubwürdig, die gewählte Vermittlungsmethode könnte sehr wohl durch den Einfluß des höheren Geistes auf den niedrigeren sein, nicht im gleichen Maße auf alle Individuen, sondern hauptsächlich auf einige. Das ist die Weise, wie die Bibel scheint, das Verhältnis Gottes zum Menschen zu beschreiben ... Wenn wir dazu kommen, ihn [den Menschen] als ein religiöses Wesen zu betrachten, finden wir, ... sein Werdegang sei im großen und ganzen einer des allmählichen und zunehmenden Fortschritts ... Wenn wir fest den Inhalt der Bibel von diesem Standpunkt eines „zunehmenden Zwecks“ betrachten, scheinen sie davon würdig, von Gott gekommen zu sein. Es gibt bestimmt einige Weisen – viele Weisen –, in denen die Bibel nicht unfehlbar ist, und deshalb nicht im strengsten Sinne maßgebend. Immer mehr ist die Autorität der Bibel mittlerweile auf den Bereichen Ethik und Religion beschränkt worden. Aber immer mehr wird mittlerweile betrachtet, daß man auch in diesen Bereichen die Unterschiede der Zeiten berücksichtigen muß.

Sanday lehnt den alten anthropomorphischen Gott ab, der mit Moses sprach, wie es in der Bibel heißt, „wie ein Mann mit seinem Freunde redet“, aber ihm nicht sein „Angesicht“ sehen ließ, sondern nur „hinter mir her“ – das hätte die Vermittlung schwierig machen müssen –, da niemand das Angesicht Gottes sehen könnte und danach leben. (2. Mose 3: 10, 20-23) Die Vorstellung, daß ein Geist mit einem anderen spreche, sei nur eine Metapher, weil die Sprache einen Kehlkopf und einen materiellen Körper andeutet. Trotzdem habe Gott vermeintlich seinen „Einfluß“ auf die Autoren der Bibel ausgeübt, obwohl man nicht angibt, wie er seine Vorstellungen ohne Sprache vermittelt hat („Ideen existieren nicht ohne die Sprache“, wie Marx andeutete). [19]

Die Botschaft der Bibel, die das Ergebnis der Vermittlung Gottes zu einigen auserwählten Geistern, wird vermeintlich immer klarer im Laufe der spirituellen Evolution des Menschen, die ein Teil des göttlichen Plans sei. Ihre Autorität betrachtet man als auf Ethik und Religion beschränkt – d.h. auf der Artikulation der Gebote Gottes, dessen Bestehen Sanday am Anfang angenommen und nicht bewiesen hatte. Was sie über die Sachen zu sagen hat, die von der Naturwissenschaft widersprochen werden, sollte man als die Grobheiten, die zur Unwissenheit der von Gott „beeinflußten“ Menschen angepaßt würden, und nicht als ewige Wahrheiten betrachten.

Das ist die Doktrin der Anpassung, wonach man die Absurditäten der Bibel erklärt durch die Notwendigkeit Gottes, sich an die begrenzte Intelligenz des Menschen anzupassen. Das Problem mit dieser Erklärung besteht darin, daß sie Gott dazu zwingt, sich viel zu viel anzupassen: Das vermutliche Zugeständnis an die begrenzte Intelligenz des Menschen steht eigentlich dem Fortschritt dieser Intelligenz im Weg. Der blinde Glaube an der Bibel ist die Hauptquelle des obskurantistischen Widerstands gegen den Erwerb des Wissens über das Universum und die Menschheit gewesen. Man benutzte sie nicht nur, um das lehren der kopernikanischen Astronomie zu verbieten, um sich an Hexenjagden zu beteiligen und um den Begriff der biologischen Evolution abzulehnen; die Buren in Südafrika haben sie benutzt, um die Apartheid zu verteidigen, und Mormonen, um Schwarze aus der Priesterschaft auszugrenzen und sie dadurch einer niedrigeren Stelle im himmlischen Paradies zu übergeben, d.h. in einem nach Rassen getrennten Himmel. Es scheint eigentlich, als ob ein allwissender Gott es besser hätte machen können.

Auch in den Bereichen Ethik und Religion gibt der modernistische Theologe zu, man müsse die Unterschiede der Zeiten berücksichtigen. Dadurch spart er sich die Verlegenheit, solche Sachen zu verteidigen wie das Gebot, daß Männer, die ihren Eltern nicht gehorchen, zu Tode gesteinigt werden sollten (5. Mose 21: 18-21), was auch das Schicksal von Bräuten sein sollte, die ihre Jungfräulichkeit zur Hochzeitsnacht nicht beweisen können, indem sie nicht blutbefleckte Bettücher zeigen können. (5. Mose 22: 13–21) Aber was bleibt übrig, nachdem man solche Sachen berücksichtigt hat? Die von den modernistischen Theologen gegebene Antwort ist, daß die Zehn Gebote und die Bergpredigt uns eine Moral lehren, die für heute und für immer wahr sei und so erhaben sei, daß sie in irgendwelchem Sinn von Gott hätte kommen müssen.

Auf der anderen Seite lehnte Engels „jeden Versuch“ ab, „uns jedes moralische Dogma egal welches als ein ewiges, endgültiges und für immer unveränderliches Moralgesetz aufzuzwingen“. (Reader, S.252) Indem er moralische Absolute ablehnt, kommt er das vor, was der große Anthropologe Sir James Frazer aus seiner Untersuchung vieler Kulturen feststellte: „Die alte Hinsicht, daß die Prinzipien des Unrechts unveränderlich und ewig seien, ist nicht mehr vertretbar. Die moralische Welt ist ebensowenig wie die physikalische vom Gesetz der unaufhörlichen Änderung des ständigen Flusses befreit.“ [20] Aber obwohl es keine moralischen Absolute gibt, sind Zwecke und Mittel dialektisch miteinander verbunden, so daß die Zwecke die Mittel bedingen und das Erringen eines Zwecks das Mittel zum Erringen eines anderen Zwecks wird. Weil z.B. die Befreiung der Arbeiterklasse nur durch die Arbeiter selbst passieren kann, kann man den Sozialismus nicht durch die von stalinistischen „Führern“ geübte Täuschung und Zwang erringen. [21]

Anders als Frazer betrachtet Engels, daß die Änderungen der Moral aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft entstehen:

Alle früheren moralischen Theorien sind letztendlich das Produkt der wirtschaftlichen Stufe, die die Gesellschaft zu jener Epoche erreicht hatte. Und da die bisherige Gesellschaft in Klassengegensätze bewegt hat, war die Moral immer eine Klassenmoral; sie hat entweder die Herrschaft und die Interessen der herrschenden Klasse gerechtfertigt oder, sobald die unterdrückte Klasse stark genug geworden ist, hat sie den Aufstand gegen diese Herrschaft und die künftigen Interessen der Unterdrückten vertreten. Es läßt sich nicht zweifeln, daß in diesem Prozeß es in der Moral wie in anderen Branchen des menschlichen Wissens Fortschritt gegeben hat. Aber wir sind noch nicht über die Klassenmoral hinaus übergegangen. Eine wirklich menschliche Moral, die Klassengegensätze und ihre Erben im denken überschreitet, wird nur bei einer Stufe der Gesellschaft möglich, die nicht nur Klassengegensätze überwunden hat, sondern sie auch im praktischen Leben vergessen hat. (Reader, S.252.)

Wenn wir die Zehn Gebote und die Bergpredigt untersuchen, stellen wir fest, sie bilden nicht in Wahrheit ein unveränderliches und zulässiges Moraldogma. Das Zweite Gebot z.B. kündigt an, Gott sei „ein eifernder Gott, der die Missetäter Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kinder derer, die mich hassen“. (2. Mose 20: 5) Würden liberale Theologen diese Rachesüchtigkeit gegen die Enkel und Urenkel Krimineller als Leitbild für das menschliche Verhalten heute verteidigen?

Das Zehnte Gebot erklärt: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.“ (2.Mose 20: 17) Hier wird das Bestehen der Knechtschaft als moralisch akzeptiert und Frauen werden als Besitztum ähnlich wie Rinder betrachtet. Die niedrige Stelle der Frauen entsteht eindeutig aus der gleichen patriarchalischen Kultur eines Nomadenstammes, die Lot, der aufrechte Mann Gottes veranlaßte, seine beiden Töchter den Bösen von Sodom anzubieten, wenn sie nicht die zwei männlichen Fremden vergewaltigen würden, die Lots Gäste waren. (1. Mose 19: 7-8) Unter Nomaden in einem Wüstenland ist die Gastfreundlichkeit allwichtig, aber Frauen bedeuten nicht sehr viel.

Die Gebote: „Du sollst nicht töten“ und „Du sollst nicht stehlen“, die aus der Hammurabischen Kodifizierung der babylonischen Gesetze entstanden, die ihm von früheren Zeiten überliefert wurden, sind dauernde Moralprinzipien, die notwendig für das normale Funktionieren eines zivilisierten Gesellschaft sind. Wegen der gesellschaftlichen Spannungen und der Klassenwidersprüche können aber diese Prinzipien nicht absolut sein und sie werden gelegentlich unterschiedlich betrachtet, besonders von gegensätzlichen Klassen.

Die Bibel erzählt, wie der von Gott begünstigte Josef Jahre der Hungersnot vorhersagen konnte und dem Pharao riet, einen großen Vorrat an Getreide anzuhäufen. als die Hungersnot kam, wurden die Völker Ägyptens und Kanaans durch die Hunger dazu gezwungen, ihr Vieh und ihr Land dem den Pharao als Gouverneur vertretenden Josef zu geben und die Sklaven Pharaos für Nahrung zu werden. Sie verpflichteten sich und ihre Kinder außerdem dazu, dem Pharao ein Fünftel der für ihn angebaute Ernte zu geben. (1. Mose 47: 13-26) Die Bibel betrachtet offensichtlich diese Erpressung als lobenswertes Verhalten seitens Josefs. Rebellische Sklaven hätten aber es als eine Form des Stehlens betrachtet, während, wenn sie das von ihnen oder ihren Ahnen unter Zwang aufgegebene Land enteignet hätten, es vom Pharao und von seinen Befehlsempfängern als Stehlen betrachtet worden wäre, einschließlich den privilegierten Priestern, die nicht dazu gezwungen wurden, ihr Land aufzugeben und die von ihm finanzielle Unterstützung bekamen.

Außerdem ist, wie Engels hinwies, das Gebot: „Du sollst nicht stehlen“, kein ewiges Moralgesetz. Das Stehlen setzt das Vorherrschen des Privateigentums und seiner Begriffe des Besitzes voraus. „In einer Gesellschaft, worin das Motiv zum Stehlen abgeschafft worden ist, worin deshalb allerhöchstens nur Wahnsinnige je stehlen würden, wie sehr würde man über den Prediger lachen, der ernst versuchte, die ewige Wahrheit zu erklären: du sollst nicht stehlen.“ (Reader, S.252)

Der Forschungsreisende der Arktis, Vilhjalmur Stefansson, der die Steinzeiteskimos von Coronation Golf von 1906 bis 1918 aus kurzer Entfernung beobachtete, erzählt tatsächlich von einer solchen Gesellschaft, einer Gesellschaft des Urkommunismus:

Das System, das ich betrachtete, als es unter dem kombinierten Einfluß des Christentums und des Pelzhandels zusammenbrach, war wirtschaftlich der Kommunismus. Natürliche Ressourcen und Rohstoffe waren im Gemeinbesitz, aber gemachte Gegenstände waren Privatbesitz ... Man braucht nicht Nahrungsmittel außer dem Gemeinschaftsvorrat anzuhäufen, weil man gerne alles vernünftig Notwendige vom Besten nehmen kann, das zur Verfügung steht. Man braucht nicht Kleider zu kaufen, weil irgendwelches weibliche Familienmitglied oder irgendwelche Freundin für einen sie herstellen wird ... Man braucht nicht den Reichtum für das Alter anzuhäufen, weil die Gemeinschaft einen ebenso gern unterstützen wird, wenn man zu alt ist zu arbeiten, wie sie machen würde, wenn man nie arbeitsfähig gewesen wäre – angenommen, man sei von der frühen Kindheit blind gewesen. [22]

In dieser Gesellschaft hatte die jüdaisch-christliche Anordnung: „Du sollst nicht stehlen“, keine Bedeutung – oder mindestens nicht, bis das Christentum und der Kapitalismus die alten Lebensweisen störten.

Noch weniger als die Anordnung, die das Stehlen verbietet, ist die Anordnung, die das Töten verbietet, etwas Absolutes gewesen, auch unter Gläubigen. Katholiken glaubten, daß sie eine religiöse Pflicht erfüllten, als sie jeden Hugenotten in greifbarer Nähe am Bartholomäusabend töteten. Obwohl die Hugenotten vermutlich sich von ihnen über diesen Punkt der Doktrin unterschieden, waren Protestanten nichtsdestotrotz nicht immer dem Töten abgeneigt. Luther hielt das gleiche von den deutschen Bauern während ihres Aufstandes wie die französischen Katholiken von den Hugenotten. „Sie müssen kaputtgeschlagen, erwürgt und erstochen werden, versteckt und offen, von jedem der kann, genau wie man einen tollwütigen Hund töten muß!“ (On Religion, S.107)

Die Kirchen haben natürlich immer den Massenmord geduldet, indem sie die Doktrin des „gerechten Krieges“ angewandt haben. Zufälligerweise hat jede Kirche festgestellt, daß der vom eigenen Staat geführter Krieg ein gerechter sei. Während der deutsche Kaiser im Ersten Weltkrieg über „Gott und mich“ redete, forderte der englische Dichter Rupert Brooke seine Landsleute auf, „for King and Country [für König und Land]“ zu kämpfen. Jedes Regime ist davon überzeugt, der alte „Gott der Schlachten“ stehe auf seiner Seite. auf der anderen Seite lehnten die Bolschewiki den Krieg ab, den die herrschenden Klassen der imperialistischen Staaten als einen heiligen Krieg vorstellten, indem sie die Arbeitenden aller Länder aufriefen, sich ihm entgegenzustellen. Verschiedene Klassen, unterschiedliche Moralkriterien und -schlußfolgerungen.

Die Bergpredigt ist ebensowenig eine Moraldoktrin, deren Überlegenheit beweist, sie sei eine Offenbarung Gottes wie die Zehn Gebote. Wenn die Probe der Wahrheit die Erfahrung ist, ist dann die Moral der Bergpredigt vom Leben widerlegt worden. Wie Marx sagt,

Zeigt nicht jede Minute des praktischen Lebens die Unwahrheit deiner Theorie? Betrachtest Du es als falsch vor Gericht zu gehen, wenn Du betrogen wirst? Aber der Apostel schreibt, es sei falsch. Bietest Du Deine rechte Wange an, wenn Du auf der linken geschlagen worden wirst, oder gehst Du gerichtlich wegen Körperverletzung vor? Dennoch verbietet das Evangelium das ... Behandeln nicht die meisten Deiner Gerichtsverfahren und die Mehrheit des Zivilrechts das Eigentum? Aber Dir wird erzählt worden, Dein Schatz sei nicht von dieser Welt. (ebenda, S.35)

Die Behauptung, daß die Doktrin so erhaben sei, man könne sie nicht im Leben verwirklichen, ist nur ein Ausdruck der unterliegenden Verachtung davon: Vorstellungen, die so rein seien, daß sie von der Berührung mit der Realität besudelt werden, sind nichts wert. Man legt ein Lippenbekenntnis dazu ab, aber sie sind kein Leitbild für das Verhalten; sie sind nutzlose Abstraktionen.

In Wirklichkeit drückte die Bergpredigt eine Doktrin aus, die es den Unterdrückten des Römischen Reichs ermöglichte, einen Trost für ihr Schicksal zu finden. Zu denen, die unter ständiger Demütigung litten, predigte sie die Herrlichkeit der Unterwerfung. [23] Der Psychologe Bruno Bettelheim, der in einem KZ der Nazis gefangen war, hat die schockierende Tatsache enthüllt, daß einige Gefangene da so gebrochen waren, daß sie sich in ihren Wächtern verliebten. Das ist der perverse [krankhafte] Masochismus des Sklaven, der diejenigen liebt, die ihn mißbrauchen. Der Sklave, der gegen sein Sklaventum kämpft, befreit sich aber dadurch von seiner Sklavenpsychologie.

Weit davon entfernt, eine moralische Überlegenheit zu zeigen, drückt die Bergpredigt den geheimen Groll deren aus, die Elend sind, aber ihrem Sinn der Ungerechtigkeit nicht Ausdruck verleihen können.

Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschensohnes willen. Freut euch an jenem Tage und springt vor Freude; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel ... Aber dagegen: Weh euch Reichen! Denn ihr habt schon euren Trost gehabt. Weh euch, die ihr jetzt satt seid! Denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen. (Lukas 6: 21-25)

Gibt es nicht hier eine unterdrückte Rachsucht, die durch die Erklärung verhüllt wird: „Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; ... bittet für die, die euch beleidigen“? (Lukas 6: 27-28) Seiner Gefolgschaft sagt Christus: „Bittet für eure Windhund ihr werdet in den Himmel gehen, aber eure Feinde, die jetzt lachen, werden in der Hölle weinen und heulen.“ Seinen Gegnern sagt er, wie man es in der von der Good News Bible verwendeten Umgangssprache ausdrücken könnte: „Schon gut, Freundchen – lach’ mal weiter. Du wirst was irgendwann erleben. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“

Das eigene nicht anerkannte Verlangen nach Gerechtigkeit auf Gott abzuschieben, das führt zu einem offensichtlichen Widerspruch. „Richtet nicht“, sagt Christus, „so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr auch nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben ... mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird man euch wieder messen.“ (Lukas 6: 37-38) Aber gerade davor hatte er über Gott gesagt: „Er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (Lukas 6: 35-36) Indem er sagt, wenn man nicht vergibt, wir Gott einen nicht vergeben, widerspricht er die Behauptung, Gott sei den Bösen barmherzig. Gott, das Vorbild der Barmherzigkeit, den nachzuahmen, die Menschheit gedrängt wird, ist selbst rachsüchtig. In Wirklichkeit sind die Offenbarungen, die von Gott kommen sollten, bloß ein Ausdruck der menschlichen Wünsche und Träume.

 

 

Der Marxismus und der Agnostizismus

Während des 18. Jahrhunderts nahm der religiöse Unglaube oft die Form des Deismus, des Glaubens an einem Gott, der die Bibeloffenbarung und die Staatsreligion ablehnte; während des 19. Jahrhunderts nahm er oft die Form des Agnostizismus. Das Wort „Agnostizismus“ wurde von Thomas Henry Huxley aus dem Griechischen agnost(os) („unbekannt, unfähig bekannt zu werden“) gemünzt, um sich auf die Doktrin zu beziehen, daß es unmöglich sei, Wissen über das Bestehen oder das Nichtbestehen Gottes zu gewinnen.

Engels sagte über den Agnostizismus:

Was eigentlich ist der Agnostizismus außer, um einen Begriff aus Lancashire zu verwenden, dem „betretenen“ Materialismus? Der Naturbegriff der Agnostiker ist durch und durch materialistisch. Die ganze natürliche Welt wird durch Gesetz geregelt und schließt absolut das Eingreifen der Wirkung von außen aus. Aber, fügt er hinzu, wir haben keine Mittel dafür, das Bestehen eines Höchsten Wesens über das bekannte Universum hinaus entweder festzustellen oder zu widerlegen ... So, insofern er ein wissenschaftlicher Mensch ist, insofern er irgend etwas weiß, ist er ein Materialist; außer seiner Wissenschaft, in den Bereichen, von denen er nichts weiß, übersetzt er seine Unwissenheit ins Griechisch und nennt sie den Agnostizismus. (On Religion, S.295-8)

Die Menschheit wird aber nie ein vollkommenes Wissen über das Universum bekommen, das unerschöpflich ist. Der dialektische Materialismus hält, daß jede wissenschaftliche Theorie nur eine grobe Annäherung an die Realität ist, eine Annäherung, die mit dem Fortschritt der Wissenschaft immer enger wird, aber diese größere Enge an der Wirklichkeit ist nur im Vergleich mit der früheren Theorie. Aber, sagt Engels, indem er Spinoza zitiert über das obskurantistische Argument, daß man auf der Basis der Unwissenheit glauben sollte: „Ignorantia non est argumentum.“ [Die Unwissenheit ist kein Argument.] (ebenda, S.193) Die Unwissenheit, ob man sie ins Latein oder ins Griechisch übersetzt, ist kein Argument für Gott. In der Dialektik der menschlichen Vergrößerung ihres Verständnisses der Natur wird die Unwissenheit im Laufe der Zeit zum wissen, das aber ein neues, obwohl kleineres, Element der Unwissenheit innehat. Wenn wir das, was wir zur Zeit nicht verstehen, durch einen Hinweis auf Gott erklären, sperren wir den Weg zu neuen Entdeckungen. Die Entwicklung unseres Verständnisses der Natur steht dann in Widerspruch mit der Vorstellung eines Gottes. Das wird stillschweigend vom Agnostiker in der Praxis erkannt, obwohl er theoretisch die Möglichkeit offen läßt, daß es einen Gott gebe, den aber wir nie kennenlernen werden.

Eine solche theoretische Möglichkeit dient keinen Zweck außer einem bösartigen. Wenn ich z.B. angesteckt von einem Shakespeare-Wahnsinn behaupten würde, der Sommernachtstraum sei eine neue Bibel, die uns das wirkliche Bestehen von Oberon, Titania und ihrem ganzen Hof offenbare, könnten die Gegner dieser Behauptung sie nicht absolut widerlegen. Weil die Feen den Augen der normalen Menschen unsichtbar sind, ist die Tatsache, daß keine vertrauenswürdigen Menschen sie gesehen haben, kein Beweis dafür, daß sie nicht existieren. Außerdem könnte man argumentieren, wie es in der XI. Ausgabe der Encyclopaedia Britannica im Artikel über „Feen“ heißt: „Eine der interessanten Tatsachen über Feen ist die weite Verbreitung und die lange Beharrlichkeit des Glaubens an ihnen.“ Hier haben wir ein Beispiel jenes consentium gentium, der gemeinsame Einigkeit der Völker überall, dem die Theologen so viel Bedeutung als Argument für Gott beimessen.

Aber da es überhaupt keinen Beweis gibt, daß Oberon und Titania existieren außer als Schöpfungen der Phantasie, da es leicht zu sehen ist, wie sie und ihr Hof vom wirklichen Monarchen der Renaissance und seinem Hof stammen und da der Glaube, daß das schlechte Wetter als Ergebnis ihrer häuslichen Auseinandersetzungen entstehe, unsere Untersuchung der Weise verhindert, wie das Wetter sich verändert, würde es richtig scheinen, die Vorstellung des wirklichen Bestehens von Oberon und Titania kurzerhand abzutun und zu sagen, daß der innige, der dieses Märchen für die Wirklichkeit abhalte, sei wie der Dummkopf [2*] Bottom und seine Mannschaft, die das von ihnen inszenierte Schauspiel mit dem feierlichen Leben verwechseln. Das gilt auch für den Glauben an Gott. Wir könnten hinzufügen, daß die Verwechslung der Fiktion mit der Wirklichkeit weder dem Verständnis der Kunst der Fiktion noch dem Verständnis der Wirklichkeit dienlich ist – und das gilt auch für die Bibel sowie den Sommernachtstraum.

 

 

Engels und Freud über die religiöse Entfremdung

Was Marx und Engels über die Religion zu sagen hatten, sagt außergewöhnlich voraus, was Freud über sie in seinem Buch Die Zukunft einer Illusion sagt, obwohl Freud sehr wenig über den Marxismus wußte. Die Religion, sagt Freud, sei eine „Wunscherfüllung“, die „vom Bedürfnis des Menschen geboren“ sei, „seine Hilflosigkeit erträglich zu machen“, und „wurde vom Stoff der Erinnerungen an der Hilflosigkeit der eigenen Kindheit und der Kindheit des menschlichen Geschlechts aufgebaut. Man kann deutlich sehen, daß der Besitz dieser Vorstellungen ihn zweierlei schützt – gegen die Gefahren der Natur und des Schicksals und gegen die Verletzungen, die ihn aus der menschlichen Gesellschaft selbst drohen.“ [24] So – man wird sich daran erinnern – sprach Engels von den Göttern als die Widerspiegelung der „Kräfte der Natur“ und der „gesellschaftlichen Kräfte“, die „fremd“ und „unerklärlich“ seien und die die Menschheit aufriefen, sie zu schützen und nicht zu vernichten.

„Die Religion“, geht Freud weiter, „ist mit einer Kindheitsneurose vergleichbar.“ Freud ist aber „optimistisch genug zu vermuten, die Menschheit werde diese neurotische Phase überwinden, genau wie so viele Kinder ihre ähnlichen Neurosen ablegen“. [25] So auch schrieb Engels, als er Ludwig Feuerbach wiedergab (von dem er und Marx profitierten, obwohl sie feststellten, daß der Feuerbachsche Materialismus nicht weit genug ging):

Die Religion ist im Grunde genommen das Entleeren aller Inhalte des Menschen und der Natur, die Übergabe dieser Inhalte zum Phantom eines weitentfernten Gottes, der der Reihe nach dann gnädig erlaubt, daß etwas von seinem Reichtum an die Menschen und die Natur kommen darf ... Der Mensch hat in der Religion das eigene Bestehen verloren, er hat seine Menschheit aufgegeben und ist jetzt (weil durch dein Fortschritt der Geschichte die Religion angefangen hat zu schwanken) von ihrer Leere und ihrer Mangel an Inhalt bewußt. Aber für ihn gibt es keine Rettung, er kann noch einmal seine Menschheit, sein Wesen wieder gewinnen nur durch eine grundsätzliche Überwindung aller religiösen Voraussetzungen und eine entscheidende ehrliche Wiederkehr nicht an „Gott“, sondern an sich. (Reader, S.234-5)

Indem sie sich vor dem von ihnen selbst geschaffenen Gott niederwerfen, sind die Menschen von sich und ihren Mitmenschen entfremdet. Der von diesem Gott gewonnene Schutz ist auf Kosten der Einheit des Selbsts. Genau wie mit einem Kind, das sich einem herrischen und unberechenbaren Vater unterwirft, vergrößert die Unterwerfung unter Gott nur die Unsicherheit, indem sie eine Abhängigkeit von einer willkürlichen Kraft schafft, und fördert eine unterdrückte Rebellion gegen den Großen Vati, die zu den Ängsten vor Vergeltung beiträgt. Nur wenn die Menschheit sich endgültig von dieser Abhängigkeit befreit, kann sie endlich frei sein.

„Indem sie ihre Erwartungen aus der anderen Welt zurückziehen und all ihre befreiten Kräfte auf das Leben auf Erde konzentrieren“, sagt Freud, werden die Menschen „wahrscheinlich Erfolg dabei haben, einen Lebenszustand zu erreichen, worin das Leben für alle erträglich wird und die Zivilisation nicht mehr jemandem erdrückend ist“. [26] Der Marxist fügt hinzu, das werde man erst erreichen, wenn die gegenwärtige Gesellschaft, die die Übel der Arbeitslosigkeit, der Inflation und des Krieges mitbringt, vor denen die Massen der Bevölkerung ohnmächtig [machtlos] seien, gestürzt worden sei und eine Gesellschaft, worin die gesellschaftlichen Verhältnisse klar seien und die Menschen nicht mehr von den Produkten ihrer Arbeit entfremdet seien, aufgebaut worden sei.

Es stimmt, daß in jeder Gesellschaft die Menschen für Verletzung, Krankheit und Tod immer noch anfällig sein werden. Aber wo diese als das Funktionieren des Naturgesetzes und nicht als willkürliche Taten betrachtet werden, sind sie erträglich und teilweise behebbar. „Die Notwendigkeit ist blind, nur insofern sie nicht verstanden ist. Die Freiheit besteht nicht im Traum der Unabhängigkeit von den Naturgesetzen, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze und in der davon ergebenden Möglichkeit, sie systematisch zu bestimmten Zwecken zu verwenden.“ (Reader, S.266)

Da aber die Religion erst verschwinden wird, nachdem „die letzte fremde Kraft, die immer noch in der Religion widerspiegelt wird“, verschwindet, wäre es für ein revolutionäres Regime ein Fehler, der religiösen Praxis zu verbieten. So sagte Engels, als er den von ihm genannten „preußischen Sozialismus“ von Dühring angriff, der gerade ein solches Verbot befürwortete: „Der Herr Dühring ... kann nicht warten, bis die Religion diesen, seinen natürlichen Tod stirbt ... Er hetzt seine Gendarmen der Zukunft gegen die Religion auf und dabei hilft er ihr zum Martyrium und einer verlängerten Aufschwung.“ (On Religion, S.149)

Ähnlich schrieb Freud:

Es macht sicherlich keinen Sinn, damit anzufangen, indem man versucht, die Religion durch Gewalt und mit einem Schlag abzuschaffen. Vor allem, weil es nutzlos wäre. Der Gläubige wird seinen Glauben von sich wegreißen lassen weder durch Argumente noch durch ein Verbot. Und auch wenn das mit einigen Erfolg hätte, wäre es eine Grausamkeit. Ein Mensch, der seit Jahrzehnten einen Schlaftrunk genommen hat, kann natürlich nicht schlafen, wenn ihm sein Schlaftrunk weggenommen wird. [27]

Im Bereich der Religion mindestens gibt es keinen Punkt dabei, einen Drogensüchtigen ob der Schlaftrunken oder des Opiums zu einer Totalentzugstherapie zu zwingen. Es ist besser die Bedingungen zu entfernen, die ihn dazu gebracht haben seine Sucht zu entwickeln.

 

 

Anmerkungen

1. Die Physik des 20. Jahrhunderts betrachtet das Atom als ein Miniatursonnensystem, in dem negative Elektronen sich um einen positiven Kern bewegen. Statt zu sagen, die Bewegung ist in die Materie innewohnend, sagt sie, die Materie und die Energie sind gleich. Das sogenannte Verschwinden der Materie und ihre Reduktion zu Elektrizität, sagte Lenin, widerspricht nicht den Materialismus, weil der Materialist nicht für eine bestimmte Struktur der Materie eingesetzt ist, nur zum Begriff der Materie als objektive Realität, die außerhalb des Geistes existiert. Im Gegenteil bekräftigt sie den dialektischen Materialismus, der „auf dem ungefähren relativen Charakter jeder wissenschaftlichen Theorie über die Struktur der Materie und ihre Eigenschaften“ und „auf dem Fehlen der absoluten Grenzen in der Natur“ besteht. (Reader, S.89-90)

2. Einer der führenden heutigen Autoritäten über die biologische Evolution, George Gaylord Simpson, betont ihren dialektischen Charakter. Es gibt, behauptet er, zwei „verwobene Muster“ des „ständigen Ereignisses und der größeren Wichtigkeit“ in der Evolution, das „Muster des Trends“, das „fortschrittlich“ ist, und das „Muster der Änderung im adaptiven Typus“, das „schneller und sporadischer, wiederholend eher als ständig“ ist. „Die Zeiten der schnellen Ausdehnung ... sind die ‚explosiven Phasen‘ der Evolution.“ Eine solche explosive Phase, „die Übernahme einer neuen und kennzeichnenden Lebensweise“, passierte als die Reptilien das Wasser zugunsten des Landes verließen; s. George Gaylord Simpson, The Meaning of Evolution, Yale University Press, New Haven 1950, S.238-9.

3. Jonathan Kemp (Hrsg.), Diderot, Interpreter of Nature: Selected Writings, International Publishers, New York ca. 1943.

4. Franklin L. Baumer, Religion and the Rise of Skepticism, Harcourt Brace, New York 1960, S.47-8.

5. George Novack, Pragmatism Versus Marxism, Pathfinder Press, New York 1975, S.9

6. Die vorhergehenden sechs Absätze sind Auszüge aus meinem Artikel Marxism and Shakespearean Criticism, Shakespeare Newsletter 24 (September–November 1974) S.37, wo ich so einfach und präzise wie möglich die Grundsätze des Marxismus vorstellte, sowie die Weise, wie man sie im Studium der Literatur verwenden könnte. Der Aufsatz wird neu im Buch Shakespeare’s English and Roman History Plays: A Marxist Approach (Fairleigh Dickinson University Press, London u. Madison (NJ) 1976) abgedruckt.

7. George Peter Murdock, Our Primitive Contemporaries, Macmillan, New York 1946, S.11, 126, 183, 253, 313, 522, 585-6.

8. ebenda, S.78, 127, 185, 346-7, 502, 545, 586.

9. Quinter Marcellus Lyon, The Great Religions, Odyssey Press, New York 1957, S.28-9.

10. Weston La Bare, The Ghost Dance: Origins of Religion, Doubleday, Garden City (NY) 1970, S.562.

11. Marx, Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte, in Lewis S. Feuer (Hrsg.), Marx and Engels: Basic Writings on Politics and Philosophy, Doubleday, Garden City (NY) 1959, S.321-2.

12. s. Christopher Hill, Science and Magic in Seventeenth Century England (vervielfältigter Text eines Vortrags bei der J.D. Bernal Peace Library, 19. Oktober 1976), S.6 u. 9: Indem er „die magischen Elemente des mittelalterlichen Katholizismus“ – „Weihwasser, Reliquien, Beschwörungen, Kruzifixe, Exorzismen“ – ablehnte, „bereitete [der Kalvinismus] für den Empfang der mechanischen Philosophie vor“.

13. Marx, Capital, Bd.1, Kap.6, George Allen & Unwin, London 1957, S.155.

14. Russell, Religion and Science, S.64.

15. Arnold Toynbee, Traditional Attitudes towards Death, in Man’s Concern With Death, McGraw-Hill, New York 1968, S.127.

16. s. unten S.???.

17. Über das Hinausstrecken von Wissenschaftlern in Richtung der Religion bemerkt der englische Wissenschaftler Lancelot Hogben (The Nature of Living Matter, 1930, S.28): „Die apologetische Haltung, die in der Wissenschaft heute so geläufig ist, ist kein logisches Ergebnis der Einführung neuer Begriffe. Sie basiert sich auf der Hoffnung, traditionelle Glauben wiederherzustellen, mit denen die Wissenschaft früher in offenem Konflikt stand. Diese Hoffnung ist kein Nebenprodukt der wissenschaftlichen Entdeckung. Sie hat ihre Wurzeln im gesellschaftlichen Wesen der Zeit ... Die heutige Philosophie muß immer noch einen Ausweg aus der intellektuellen Mutlosigkeit finden, die die Erbe eines Weltkriegs ist. (zit. von Bertrand Russell, The Scientific Outlook, Free Press, Glencoe (IL) 1931, S.132.

Für eine verheerende Analyse der religiösen Sehnsüchte von Eddington und Jeans, sowie die Verwendung des Heisenbergschen Prinzips der Unbestimmtheit seitens der Religionisten [Gläubigen], um das Naturgesetz zu leugnen, sowie ihre Entdeckung eines göttlichen Zwecks in der biologischen Evolution s. The Scientific Outlook, S.101–33.

18. George A. Buttrick, Nolan. B. Harmon u.a. (Hrsg.), The Interpreter’s Bible, Abingdon Press, New York 1952–57, Bd.I, S.439–40, Bd.VII, S.242, 260.

19. zit. von S.S. Prawer, Karl Marx and World Literature, Oxford University Press, New York 1978, S.291.

20. James Frazer, The Golden Bough, London 1911, Bd.III, S.vi.

21. s. Leo Trotzki, Ihre Moral und unsere. (Leon Trotsky, Their Morals and Ours, Merit Publishers, New York 1969, S.36-9.)

22. Vilhjalmur Stefansson, Lessons in living from the Stone Age, in Harlow Shipley u.a. (Hrsg.), A Treasury of Science, Harper & Brothers, New York 1946, S.508-10.

23. Man soll aber bemerken, es gibt Hinweise im Neuen Testament auf einen anderen Christus als den, der als den Bergprediger vorgestellt wird, den Christus, der die Geldwechsler aus dem Tempel trieb und der wahrscheinlich die authentische historische Person war, bevor er von Legenden und Mythen umgehüllt wurde. (s. unten S.???)

24. Sigmund Freud, The Standard Edition of the Complete Psychological Works, The Hogarth Press, London 1962, Bd.21, S.218.

25. ebenda, S.53.

26. ebenda, S.50.

27. ebenda, S.49.

 

Anmerkungen des Übersetzers

1*. Hier gibt es auf Englisch ein Wortspiel, das man vielleicht einigermaßen folgenderweise darstellen kann: „Kurz gesagt, sie soll einführen, nicht irreführen.“

2*. Hier gibt es auf Englisch ein Wortspiel, das sich auf die Handlung im Sommernachtstraum bezieht. Bottom wird als „ass“ bezeichnet, was „Dummkopf“ sowie „Esel“ bedeutet. Im Schauspiel wird Bottoms Kopf von den Feen durch den Kopf eines Esels ersetzt.

 


Zuletzt aktualisiert am 5.10.2001