Socialist Worker (GB)

 

Zerstörung in den USA

Marxismus und Terrorismus

(12 September 2001)


What we think, Socialist Worker, Nr.1766, 12. September 2001.
Übersetzung von Linksruck.
Hintergrund des Artikels ist Leo Trotzkis Artikel Über den Terror.
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HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für REDS – Die Roten.


Die zerstörerischen Anschläge auf der World Trade Center und den Pentagon führten zur gemeinsamen Denunziation der Verantwortlichen durch Politiker und Presse als „teuflische Terroristen“ ohne jeden Blick auf „die Heiligkeit von Menschenleben“.

Während diese Zeitung in Druck ging vermuteten die Medien, daß die Angriffe von Gruppen aus dem Nahen Osten getragen wurden. Wer wissen nicht, ob das stimmt. Aber unabhängig davon, wer nun verantwortlich war haben wir als Sozialisten eine klare Position. Wir verabscheuen jegliche Gewalt und wehren uns gegen die wahllose Bombardierung der Zivilbevölkerung.

Politiker wie der US-Präsident George Bush oder Tony Blair und weite Bereiche der Medien haben eine etwas andere Einstellung. De facto führen sie mit ohne Bedauern wahllose Bombardierungen, Luftangriffe oder ganze Massenmorde durch oder befürworten und bejubeln diese.

Im vergangenen Jahrzehnt bombardierte Amerika Krankenhäuser, Fabriken und Schulen im Irak, Serbien, Somalia und anderswo und töteten dabei viele tausend unschuldige Menschen. Tony Blair schickte auch britische Flugzeuge nach Serbien und in den Kosovo, auf Kosten der Leben von Zivilisten und Flüchtlingen.

Die Wahrheit sieht so aus: für Politiker wie Bush und Blair ist eine Art von Terrorismus gerechtfertigt – der brutale Staatsterrorismus der größten Imperialisten, der USA und England. Der Terrorismus jener, die darunter litten, ist es jedoch nicht. Sozialisten lehnen diese Heuchelei ab und haben eine andere Herangehensweise. Unsere Position wurde von dem russischen Revolutionär Leo Trotzki in seinen Schriften über den Terror zusammengefasst.

Trotzkis Schriften bleiben eine unerläßliche Anleitung, obwohl sie vor über 80 Jahren geschrieben wurden. Zuallererst setzte sich Trotzki brillant mit der Doppelmoral unserer Herrschenden auseinander. Sozialisten, so argumentierte er, haben „nichts gemein mit diesen gekauften und bezahlten Moralisten, die als Antwort auf jeden terroristischen Akt feierliche Deklamationen über den ‚absoluten Wert‘ des menschlichen Lebens abgeben.“

„Das sind dieselben Leute, die bei anderer Gelegenheit im Namen von anderen absoluten Werten – z.B. der Ehre der Nation oder dem Ansehen der Monarchie – bereit sind, Millionen von Menschen in die Hölle des Krieges zu schicken.“ Trotzki verstand auch, wie Terrorismus aus der Tyrannei und Unterdrückung unserer Herrschenden entsteht. „Wir verstehen nur zu gut die Unvermeidbarkeit solche Verzweiflungs- und Racheakte.“

Doch individuelle Rache stellt uns nicht zufrieden. Vielmehr lehnen Marxisten Terrorismus als politische Strategie für Veränderungen auf „unversöhnlichste Weise“ ab. Terroristische Ziel sind spezielle Minister oder deren Armeen, Sicherheitskräfte oder Symbole der Macht.

Aber die Ausbeutung, die Sozialisten bekämpfen, ist nicht die Folge eines einzelnen Ministers oder eine besonderen Regierung. Ausbeutung, Unterdrückung und Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft sind das Produkt eines globalen Kapitalismus, nicht einzelner beteiligter Personen, egal wie brutal oder widerwärtig diese auch sind.

„Der kapitalistische Staat selbst stützt sich nicht auf Minister und kann nicht mit ihnen beseitigt werden. Die Klassen, denen er nützt, werden immer neue Leute finden“, schrieb Trotzki.

Das bedeutet, terroristische Angriffe haben nur sehr begrenzte Folgen. Trotzki drückte es wie folgt aus: „Aber der Rauch einer Explosion verzieht sich, die Panik verschwindet, der Nachfolger des ermordeten Ministers tritt in Erscheinung, das Leben verläuft wieder im alten Trott, das Rad der kapitalistischen Ausbeutung dreht sich wie zuvor; nur die Unterdrückung durch die Polizei wird grausamer und dreister.“

Daraus folgt, daß wir nicht einfach bestimmte Minister töten oder das Militär oder andere Ziele in die Luft jagen können um Unterdrückung und Ungerechtigkeiten auf dieser Welt zu überwinden. Vielmehr müssen wir das kapitalistische System an seinen Wurzeln angreifen. Die einzige Kraft, die die Macht dazu hat, ist der kollektive Kampf der Arbeiterklasse.

Trotzki schrieb, „Ein Streik, sogar von mäßigem Umfang, hat soziale Konsequenzen: Stärkung des Selbstvertrauens der Arbeiter, Anwachsen der Gewerkschaften, und nicht selten sogar ein Fortschritt in der Produktionstechnik.“

Im Gegensatz dazu findet ein Terrorakt „hinter dem Rücken der Massen“ statt. Einzelne Terroristen oder Terrorgruppen brauchen nicht einmal Massen hinter sich zu haben, um Bomben zu legen oder Staatschefs zu ermorden.

Eher stellen Terroranschläge einen verzweifelten Versuch einer Minderheit Massenaktionen zu ersetzen dar. Manchmal erreichen terroristische Organisation ein gewisses Maß an Unterstützung. Dies war z.B. bei der Provisorischen IRA anfang der achtziger Jahre der Fall, um die Kampagne um für Hungerstreikenden von H-Block herum. Und dies ist ganz besonders im Nahen Osten der Fall, wo militante Gruppe Unterstützung bei gewöhnlichen Palästinensern und in der gesamten Region gefunden haben.

Es ist einfach, diese Sympathien zu verstehen. Palästinenser waren während des letzten Jahres die Opfer von tödlichen Angriffen durch Israel, mit der bedingungslosen Unterstützung der USA. Noch vor der letzten Runde der US-gestützen Angriffe Israels haben die Palästinenser über ein halbes Jahrhundert unter Vertreibung, Gewalt und Mord durch die Hände Israels und der USA gelitten.

Es ist kein Wunder, daß manche Menschen demgegenüber verzweifelt genug sind, in jedmöglicher Art und Weise los- und zurückzuschlagen. Aber sogar wenn militante Gruppen eine Unterstützung von der Bevölkerung erhalten, so wird dies von den Gruppen als Rückschritt vom eigentlichen Kampf gesehen. Dieser Kampf bleibt weiterhin der Terror selber. Und diese Anschläge und deren Planung, das Auftreiben von Waffen und das Bombenlegen zum Beispiel, werden im Geheimen und nur von einer kleinen Minderheit ausgeführt.

Ein Attentat oder eine Bombe können auch große Verwirrung in die Reihen der Arbeiterklasse tragen, insbesondere wenn normale Leute getötet oder verletzt werden. Das kann zu günstigen Bedingungen für die Einführung weiterer staatlicher Repressionen führen. Der individuelle Terror, so Trotzki, „schmälert die Rolle der Massen in ihrem eigenen Bewußtsein.“ Er fragt: „Wenn es ausreicht, sich mit einer Pistole zu bewaffnen, um sein Ziel zu verwirklichen, warum dann die Anstrengungen des Klassenkampfes? Wenn ein bißchen Schießpulver und ein Klumpen Blei ausreicht, dem Feind ins Genick zu schießen, welche Notwendigkeit besteht dann für eine Klassenorganisation?“

Terrorismus ist also nicht einfach eine andere Form des Kampfes gegen Unterdrückung. Vielmehr behindert er den Kampf für Sozialismus. Trotzki schrieb, „Die Revolver von einzelnen Helden statt der Heugabeln der Leute, Bomben statt Barrikaden, das ist das wahre Rezept des Terrorismus.“

Die Gesellschaft für die Sozialisten kämpfen ist eine, in der die Arbeiter die Kontrolle übernehmen und die Gesellschaft nach ihren eigenen Interessen regieren. Eine solche Gesellschaft kann nicht durch eine kleine Minderheit, sondern nur durch die massenhafte Aktion der Arbeiter selbst erreicht werden.

Ferner beginnen Arbeiter durch den Prozeß des Klassenkampfes die reaktionäre Ideologie des Kapitalismus über Bord zu werfen und, wie Karl Marx es ausdrückte, sich zu „verändern, um die Gesellschaft neu zu gründen“. Die Revolution selber ist deshalb ein entscheidender Teil um die Arbeiter mit dem Selbstvertrauen die Fähigkeit auszustatten, selber die Gesellschaft zu regieren und ihr Leben zu bestimmen.

Sozialisten sprechen der Arbeiterklasse und den Unterdrückten nicht ihr Recht ab, sich mit Gewalt gegen ihre Unterdrücker zu wehren. Wir wissen, daß die Herrschenden ihre Macht, ihren Reichtum und ihre Privilegien nicht ohne Kampf aufgeben werden. Für Sozialisten kann dieser Kampf nicht durch wenige Menschen oder eine Elite, sondern nur durch den kollektiven Kampf der Masse der Arbeiter und Unterdrückung geführt werden.

 


Zuletzt aktualisiert am 18.9.2001