Eberhard Becker

 

Karl Marx und Friedrich Engels
über
Gewerkschaften und ökonomischen Kampf

 

I. Beispiele aus Darstellungen der Geschichte der Gewerkschaften bei Marx und Engels

Marx und Engels gingen bei ihrer Einschätzung der politischen Funktion und der ökonomischen Funktion von Gewerkschaften und gewerkschaftlichem Kampf aus 1. von ihren politischen Erfahrungen im letzten Jahrhundert und 2. von ihrer Analyse der bürgerlichen Gesellschaft, insbesondere deren ökonomischen Bewegungsgesetzen. Einen historischen Rückblick gibt Engels auf die Entstehung von Gewerkschaften in Die Lage der arbeitenden Klasse in England:

Der Arbeiter merkt es aber ... daß die Bourgeoisie ihn wie eine Sache, wie ihr Eigentum behandelt, und schon deshalb tritt er als Feind der Bourgeoisie auf.. Die Empörung der Arbeiter gegen die Bourgeoisie hat bald nach der industriellen Entwicklung angefangen und verschiedene Phasen durchgemacht.... Die erste, roheste und unfruchtbarste Form dieser Empörung war das Verbrechen. Der Arbeiter lebte in Not und Elend und sah, daß andere Leute es besser hatten als er. Seinem Verständnis leuchtete nicht ein, weshalb er gerade, der doch mehr für die Gesellschaft tat, als der reiche Faulenzer, unter diesen Umständen leiden sollte. Die Not besiegte noch dazu den angestammten Respekt vor dem Eigentum – er stahl. Wir sahen, wie mit der Ausdehnung der Industrie das Verbrechen zunahm, wie die jährliche Zahl von Verhaftungen im steten Verhältnis zu den konsumierten Baumwollballen steht. [2]

Es folgen Zerstörungsaktionen gegen den „Konkurrenten“ der Arbeitskraft, die Maschine und deren Produzenten, die Erfinder.

Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Arbeiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der sie direkt ausbeutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, sie richten sie gegen die Produktionsinstrumente selbst; sie vernichten die fremden konkurrierenden Waren, sie zerschlagen die Maschinen, sie stecken die Fabriken in Brand, sie suchen sich die untergegangene Stellung des mittelalterlichen Arbeiters wieder zu erringen. Auf dieser Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze Land zerstreute und durch die Konkurrenz zersplitterte Masse. Massenhaftes Zusammenhalten der Arbeiter ist noch nicht die Folge ihrer eigenen Vereinigung, sondern die Folge der Vereinigung der Bourgeoisie, die zur Erreichung ihrer eigenen politischen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung setzen muß und es einstweilen noch kann. [3]

Für das Jahr 1812 und 1822 registriert Engels die ersten, von geheimen Arbeiter-verbindungen organisierten Streiks der Weber in Glasgow; für 1818 die erste Arbeitsniederlegung der schottischen Grubenarbeiter. Die Illegalität, die diese Assoziationen behinderte, wurde erst 1824 durch Gesetz beseitigt. Hierauf entstanden in allen Arbeitszweigen Trade Unions mit dem Zweck, den Lohn kollektiv mit dem Kapitalisten auszuhandeln, Arbeitslose zu unterstützen und gegen Streikbrecher (knobsticks) vorzugehen.

Die wachsende Konkurrenz der Bourgeois unter sich und die daraus hervorgehenden Handelskrisen machen den Lohn der Arbeiter immer schwankender; die immer rascher sich entwickelnde, unaufhörliche Verbesserung der Maschinerie macht ihre ganze Lebensstellung immer unsicherer; immer mehr nehmen die Kollisionen zwischen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kollisionen zweier Klassen an. Die Arbeiter beginnen damit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden; sie treten zusammen zur Behauptung ihres Arbeitslohns. Sie stiften selbst dauernde Assoziationen, um sich für die gelegentlichen Empörungen zu verproviantieren. [4]

 

Anmerkungen

2. Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England (1845), MEW2, S.430f

3. Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei (1847/48), MEW4, S.470

4. a.a.O., S.470f.

 


Zuletzt aktualisiert am 17.8.2001